Bodybuilding & Muskelaufbau

Ist Frühstück sinnvoll? Wir schaffen Klarheit! – Teil 1

von Holger Gugg

Liebe Blogleserinnen und Blogleser, liebe PEAK-Kundinnen und Kunden,

Wie sinnvoll ist Frühstück?fragen wir Oma, Mama oder Tante, dann gibt es auf die eingehende Fragestellung nur eine Antwort: „JA, nur mit einer Stulle plus Marmelade, einem Glas Orangensaft und einer Tasse Kaffee hat man Kraft und Energie für den Tag“.

So oder so ähnlich ist es nach wie vor in den meisten „gutbürgerlichen“ Haushalten. Wir Sportler haben uns zum Thema Frühstück in den letzten Monaten und Jahren zum Thema Frühstück unsere eigenen Gedanken gemacht. Wie so oft führten diese Gedanken nicht dazu, dass ein gemeinsamer Konsens entstand, sondern dass es jetzt Vertreter für so gut wie jede Frühstückskonstellation gibt. Da ich mich in meinem Ernährungskonzept HBN (Human Based Nutrition) auch ganz klar mit einer Aussage zum Frühstück bekenne, werde ich mit diesem Artikel versuchen, alles zusammenzutragen, was die Wissenschaft zu diesem Thema bereits zu Tage gebracht hat, um letztlich eine fundierte Antwort darüber geben zu können, ob es nun Sinn macht, zu frühstücken oder nicht.

Viel Spaß!

Ist der Mensch dafür gemacht, morgens zu essen?

Bevor es an handfeste Studien geht, die sich mit der Frage der Notwendigkeit bzw. der Sinnhaftigkeit von Frühstück in Hinblick auf die unterschiedlichsten Zielsetzungen auseinandergesetzt haben, möchte ich mich zunächst mit der Frage befassen, ob es Anzeichen dafür gibt, dass der Mensch Nährstoffe morgens besser oder schlechter verwertet als zu einer anderen Tageszeit.

Insulinsensibilität – Wenn unsere Zellen um Nahrung betteln

Was ist Insulinsensibilität?

Der erste Ansatzpunkt hierzu ist die Insulinsensibilität. Im Klartext sagt sie etwas darüber aus, wie empfänglich Zellen mit einem entsprechenden Insulinrezeptor für ankommende Nährstoffe sind. Ergo, ob sie diese mit offenen Toren empfangen oder nur bedingt Einlass gewähren. Leberzellen, Muskel- und Fettzellen sind hierbei die wichtigsten Vertreter.

Grundsätzlich ist eine hohe Insulinsensibilität als positiv anzusehen, da sie eine hohe Aufnahmebereitschaft für Nährstoffe signalisiert. Studien wie die von Rewers et al zeigen, dass eine niedrige Insulinsensibilität  in Zusammenhang mit einem hohen Risiko für CAD (koronare Herzkrankheit) steht. 2014 wird eine reduzierte Insulinsensibilität mit einem erhöhten Risiko für Albuminurie (erhöhte Ausscheidung von Protein) in Verbindung gebracht. Das Gegenteil wäre die sog. Insulinresistenz, die sicher jedem schon einmal in Verbindung mit Diabetes oder sonstigen Stoffwechselerkrankungen begegnet ist. Reaven und Kollegen sehen Insulinresistenz mitunter als entscheidenden Faktor für den Verlauf von Krankheiten wie Bluthochdruck, koronare Herzkrankheit oder Diabetes Typ 2.

Eine hohe Insulinsensibilität bedeutet, dass Blutzuckerspitzen, ausgelöst durch Nahrung, mit geringen Mengen Insulin in die Zellen geschleust werden können. Bei Insulinresistenz ist im Gegenzug ein hohes Aufkommen an Insulin nötig, um Glucose förmlich in die Zellen zu drücken. Wenngleich Insulin für Sportler dank seiner stark anabolen Wirkung einen äußerst wichtigen Signalgeber darstellt, sollte man schon aus gesundheitlicher Sicht aber auch aus Sicht der Körperzusammensetzung um ein gutes und ausgereiftes Insulinmanagement bemüht sein.

Insulinsensibilität und Biorhythmus

Wie gut oder schlecht unsere Zellen auf Insulin reagieren, ist bis zu einem gewissen Grad genetisch vorgegeben. Wir beeinflussen dies aber auch willentlich über unser Ernährungsverhalten, über körperliche Aktivität, unseren Lebensstil und die Körperzusammensetzung.

Ohne unser zutun zeigen Studien wie die von Jarrett, dass sich auch in Abhängigkeit vom Biorhythmus Unterschiede auftun und jetzt sind wir wieder beim Thema angelangt. Wie die Darstellung zeigt, fällt die Blutzucker-Reaktion auf 50g Glucose bei gesunden Probanden im nüchternen Zustand morgens anders aus als bei einer Verabreichung am Nachmittag oder Abend. Dies deutet auf eine höhere Insulinsensibilität der Zellen in den Morgenstunden hin.

Bluzucker Glukose Frühstück

Auch Morgan und Kollegen sprechen in deren Studie aus 1999 von einer höheren Insulinsensibilität in den Morgenstunden (08.30 Uhr verglichen mit 20.30 Uhr). Ein Ergebnis, das Van Cauter et al in Verbindung mit einer 24-stündigen Glucoseinfusion und auch Saad 2012 an gesunden Probanden nochmals untermauern. Von Morgan aber auch Carroll und Kollegen weiß man um niedrigere basale Werte an freien Fettsäuren (FFA / NEFA) in den Morgenstunden im Vergleich zu Nachmittag oder Abend. Dieser Zustand wir von Randle und Rodan mitunter als Erklärungsversuch für zirkadiane Unterschiede bei der Insulinsensibilität angeführt.

Die hierzu wohl interessanteste Studie stammt von Zimmet und Kollegen aus 1974. Im Vergleich eines Glukosetoleranztests einmal morgens und einmal nachmittags mit 31 unterschiedlichen Probanden zeigten sich interessante Unterschiede. Auch hier kam es insgesamt zu einer deutlich flacheren Blutzuckerspitze, die sich zudem nochmals unter den Altersgruppen unterschied.

Bluzucker Glukose Frühstück

Wie es scheint, erhöht sich die Resistenz der Zellen gegenüber Insulin auch bei gesunden Personen mit dem Alter.

Blutzucker Glukose Frühstück

Keine Unterschiede konnte hinsichtlich der Geschlechter festgestellt werden, es ergaben sich jedoch Unterschiede in der kompensatorischen Ausschüttung von Insulin. Insgesamt wurde in den Nachmittagsstunden mehr davon benötigt, um überschüssigen Zucker aus dem Blut zu entfernen wie beigefügte Darstellung (entnommen aus Fadda 2015) zeigt.

Frühstück Insulin Vergleich Morgen und Abend

Die Insulinreaktion trat zudem in den Nachmittagsstunden verzögert auf. Ausgehend von den Basalwerten bei nicht-veresterten Fettsäuren zeigte sich nachmittags nicht nur das zu erwartende höhere Gesamtaufkommen, es wurde nach der Verabreichung von Glukose auch wesentlich mehr davon vom Blut in die Fettzellen geschleust. Zimmet und Kollegen stellen hierzu die Vermutung an, dass speziell die Insulinsensibilität der Fettzellen nachmittags und abends höher ausfällt als morgens.

Interessant

Starke Unterschiede, die bei gesunden Probanden hinsichtlich der Insulinsensibilität im Verlauf des Tages festgestellt werden, verringern sich bei Übergewicht sowie einer bestehenden Hyperglykämie (krankhaft vermehrte Menge an Glucose im Blut).

Wie sinnvoll ist Frühstück?

Insulinsensibilität 2.0

Als großer Vorteil des Krafttrainings wird ein positiver Einfluss auf die Sensibilität insbesondere der Muskelzellen angesehen. Studien wie die von Borghouts zeigen diesen Einfluss sowohl bei gesunden als auch bei insulin-resistenten Probanden und begründen es damit, dass die Glucoseaufnahme (teilweise nicht-insulinvermittelt) über bis zu zwei Stunden nach dem Training ansteigt. Von einer Erhöhung der insulin-vermittelten Aufnahme ist bis zu 16 Stunden die Rede. Besonders an den Muskelzellen kommt es zu einem erhöhten Aufkommen an Glukosetransportern (GLUT-4) und damit zu einer besonderen Aufnahmebereitschaft für Nährstoffe. Angesichts der vorgestellten Studien lässt sich nun zumindest vermuten, dass sich Unterschiede in der Insulinsensibilität zwischen verschiedenen Geweben auch in Abhängigkeit des Biorhythmus ergeben.

Weitere Marker, die der Biorhythmus beeinflusst

Lindgren und Kollegen machen Unterschiede bei GLP-1 und GIP sowie einer verbesserten Funktion von Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse verantwortlich für ein niedrigeres Blutzuckeraufkommen und eine frühere Insulinantwort im Vergleich zwischen am Morgen und zum Nachmittag.

Linsell und Müller zeigen in deren Untersuchung eine katecholaminvermittelte morgendlich erhöhte Stoffwechselrate. Goo und Tsuchida gehen davon aus, dass eine in den Abendstunden verlangsamte Magenentleerung und eine damit verbundene verbesserte Absorption von Nahrungskohlenhydraten weitere Unterschiede in der Verwertung von Nährstoffen  begünstigen. Auch zirkadiane Schwankungen bei anderen Hormonen und Signalgebern wie Cortisol, ACTH spielen eine Rolle. Bo et al zeigen in deren Studie Unterschiede im Aufkommen an freien Fettsäuren als Reaktion auf eine Mahlzeit. Dies je nachdem, wann diese aufgenommen wird (stärkerer Anstieg – schnellerer Abfall).

Frühstück FAA Vergleich morgens und abends

Letztlich stellen Bo et al eine sich mit dem Biorhythmus verändernde Verstoffwechslung von Substraten gemessen am RQ (respiratorischer Quotient) fest. Den Ergebnissen zur Folge fällt in den Abendstunden die Fettoxidation stärker aus als morgens, wo sich eine stärkere Kohlenhydratoxidation zeigt.  Neben Bo und Kollegen liefern eine Reihe weiterer Studien dasselbe Ergebnis.

Resümee

Ohne unser Zutun werden wir auf etlichen Wegen von unserem Biorhythmus beeinflusst. Hormone, Zellstoffwechsel, Körpertemperatur, Blutdruck, all das und noch viele weitere Parameter verändern sich im Tagesverlauf. In Teil 1 wird deutlich, dass unser Körper gerade in den Morgenstunden eine hervorragende Bereitschaft zur Aufnahme von Nährstoffen aufweist. Ein großes Argument hierfür sind Unterschiede in der Insulinsensibilität, die sich aus der zirkadianen Rhythmik ergeben. Während sich bedürftige Zellen in den Morgenstunden bereitwillig für die Aufnahme von Nährstoffen öffnen, herrscht gegen Abend mehr und mehr eine Art natürlicher Desensibilisierung, die in der englischen Literatur als „Afternoon-Diabetes“ (Jarrett 1978) bezeichnet wird. In Teil 2 wird es nun darum gehen, welche praktischen Konsequenzen sich daraus ergeben.

Blogger Holger GuggSportlicher Gruß

Holger Gugg

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Quellen

Bildquelle

  • Jonas Glaubitz/Fotolia.com

Insulinsensibilität

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