Liebe BLOG-Leserinnen und Leser, Liebe PEAK-Kundinnen und Kunden,
ob Krankheit, berufliche Verpflichtungen oder schlichtweg ein Motivationsloch – all das sind potenzielle Gründe, die eine längere Trainingspause verursachen können und die bis dato erzielten Trainingserfolge gefährden.
Unser Körper funktioniert nach seinem Gebrauch bzw. Nichtgebrauch und ist somit ständigen Anpassungsvorgängen unterworfen, von denen auch unsere Muskulatur betroffen ist. Durch das Training machen wir uns dies zu Nutze und verdanken dieser Fähigkeit die Möglichkeit, Muskelmasse aufzubauen. Fehlt diese Trainingsbelastung, wird sich die erarbeitete Muskulatur allerdings nach und nach verabschieden, da die notwendigen Trainingsreize fehlen, um die Muskelmasse und die Leistungsfähigkeit im Allgemeinen aufrecht zu erhalten. Sind alle geleisteten Anstrengungen im Kraftraum also sprichwörtlich für die Katz, wenn uns das Leben zu einer längeren Trainingspause zwingt und wir hochmotiviert den Wiedereinstieg planen? Auf den ersten Blick macht dies den Anschein, allerdings scheint der sogenannte "Muscle Memory Effekt" eine Eigenschaft unseres Körpers zu sein, die den in der Vergangenheit gelassenen Trainingsschmerz auch in der Gegenwart nicht wertlos erscheinen lässt...
Muscle Memory Effekt - Was ist das?
Unter dem Muscle Memory Effekt wird das Phänomen des Muskelgedächtnisses verstanden. Auch wenn Muskelzellen nicht über ein Gedächtnis im eigentlichen Sinne verfügen, so scheinen einmal trainierte und gewachsene Muskelfasern wesentlich besser auf Wachstumsreize zu reagieren als untrainierte Fasern. Die Folge ist, dass der Wiedereinsteiger wesentlich schneller seine Leistungsfähigkeit und den Muskelaufbau vorantreiben kann, als es einem Beginner möglich ist.
Muscle Memory Effekt - Was passiert genau?
Ein untrainierter Mensch, der erstmals zu einer Hantel greift, sieht sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Dazu zählen in erster Linie unbekannte Bewegungsabläufe, die eine große Kraftanstrengung und ein hohes Maß an koordinativen Fähigkeiten vorraussetzen. Die Übungsausführung muss erlernt werden und die tatsächliche Leistungsfähigkeit leidet anfänglich unter der mangelhaften Koordination. Wiedereinsteiger durchlaufen diesen Lernprozess wesentlich schneller als ein Beginner, da die Bewegungen schon einmal erlebt wurden. Somit sind erfahrene Athleten alleine schon aufgrund dieser Tatsache maßgeblich im Muskelaufbau bevorteilt.
Fazit
Erfahrene Athleten finden wesentlich schneller in ihr altes Schema zurück, während Anfänger im Kraftsport zunächst etliche Lernprozesse durchlaufen müssen.
Die maßgebenden Gründe für den Muscle Memory Effekt liegen jedoch woanders und spielen sich auf der Muskelzellebene ab. Im Gegensatz zu anderen Zellen, haben Muskelzellen weitaus mehr als nur einen Zellkern. Meist liegen diese Zellkerne - auf 1 mm können dabei bis zu 40 Zellkerne kommen - dicht unter der Zellmembran der Muskelzelle. Warum aber brauchen Muskeln soviele Zellen? Die Zellkerne haben die Aufgabe, die Zelle zu steuern und da Muskeln wesentlich größer und komplexer sind als andere Zellen, könnten ein oder zwei Zellkerne diese Aufgabe nicht bewerkstelligen. Wenn Ihre Muskeln wachsen, dann erhöht sich auch die Anzahl der Zellkerne. Dies konnte bereits in mehreren Studien nachgewiesen werden. Es konnte auch bewiesen werden, dass Menschen, die Steroide nahmen oder die leicht Muskeln aufbauen, viel mehr Muskelzellkerne besitzen.
In der Vergangenheit wurde aufgrund einiger Studien angenommen, dass dies im Umkehrschluss auch bedeutet, dass wir in einer Trainingspause nicht nur Muskelmasse, sondern auch Muskelzellkerne verlieren, da es fortan keinen Grund mehr für die zusätzlichen Zellkerne gibt. Doch neuere Studien konnten überraschenderweise das Gegenteil beweisen! In Tierstudien konnte bewiesen werden, dass durch einen dreimonatigen Zeitraum ohne körperliche Aktivität die Muskelmasse zurückgebildet wurde, die Anzahl der Muskelzellkerne jedoch nicht gesunken ist. Wie in der nachfolgenden Abbildung dargestellt, verringerte sich die Muskelmasse um 50% (Linien), aber die Anzahl der Muskelzellkerne (mit grünem Farbstoff angefärbt) blieb identisch.
Bildquelle: J Clin Invest. 2008 Apr;118(4):1450-7. doi: 10.1172/JCI34022.
Fazit
Während Muskelmasse sich zurückbildet, bleiben "antrainierte" Muskelzellkerne erhalten!
Doch woher kommen diese kontroversen Studienaussagen? Neueste Studien zu dem Thema Muscle Memory verwendeten eine andere Technik, um die Vorgänge in der Muskelzelle zu untersuchen. In den Studien der Vergangenheit wurden fälschlicherweise Zellkerne gezählt, die zu dem Bindegewebe und anderen Zellen gehörten (Satellitenzellen). Diese Zellkerne bildeten sich bei einem Muskelverlust tatsächlich zurück. Die aktuelleren Studien konzentrierten sich daher auf die "echten" Muskelzellkerne und konnten während der Abnahme von Muskelmasse keine Rückbildung dieser Zellkerne feststellen.
Muscle Memory Effekt - Das Fazit
Bei einem Wiedereinstieg in das Krafttraining scheinen also die Muskelzellkerne dafür verantwortlich zu sein, dass der Muskelaufbau bei einem ehemals trainierten Athleten schneller vonstattengeht als bei einem untrainierten. Die Zellkerne scheinen eine Art „Erinnerungsfunktion“ zu besitzen, die in Kenntnis darüber ist, wieviel Muskelmasse zu dem Zeitpunkt der Trainingsunterbrechung vorhanden war. Außerdem spielt dem erfahrenen Athleten die Tatsache in die Karten, dass der koordinative Lernprozess entfällt, den der Änfänger erst noch durchschreiten muss. Seien Sie sich also darüber bewusst, dass Ihnen nach einer längeren Trainingspause ein wesentlich kürzerer Weg bevorsteht, als dies bei dem Zeitrpunkt Ihres Trainingsbeginns der Fall war.
Mit sportlichen Grüßen
Ihr PEAK-Team
Quellen:
Proc Natl Acad Sci U S A. 2010 Aug 24;107(34):15111-6. doi: 10.1073/pnas.0913935107. Epub 2010 Aug 16.
J Clin Invest. 2008 Apr;118(4):1450-7. doi: 10.1172/JCI34022.
J Appl Physiol (1985). 2012 Jul;113(2):290-6. doi: 10.1152/japplphysiol.00436.2012. Epub 2012 May 10.
https://flexikon.doccheck.com/de/Muskelfaser
Autor:
Stefan Rajewski