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keine Lebensmittelgruppe wird in der Sportlerszene kontroverser diskutiert als die Milchprodukte und keine Gruppe an Lebensmitteln liefert derart viele, unterschiedliche und gegensätzliche Mythen.
Milch ist Wachstumsförderer, regeneratives, anaboles und antikataboles Getränk zugleich, hochwertige Proteinquelle, Vitamin D und Omega-Fettsäure Lieferant. Sportler trinken sogar Muttermilch, um von all den Inhaltstoffen zu profitieren, die uns schon als Babys groß und stark gemacht haben.
Andererseits leiden viele Menschen an einer Intoleranz gegenüber Milchzucker oder Milchprotein, Milch wird als Schleimbildner bezeichnet der die Aufnahme anderer Nährstoffe hemmt, Kleinkinder werden von Milch dick und sie lagert zu allem Überfluss auch noch Wasser unter der Haut ein und sorgt so für ein aufgeschwemmtes Aussehen.
Was zur Hölle soll man denn nun glauben?
Mit einem Mythos, den ich oben noch nicht angeführt habe, möchte ich mich heute etwas genauer auseinandersetzen. Es geht darum, ob man Milchprodukte nun als gute Calciumquelle titulieren kann oder ob man sie sogar als Calciumräuber bezeichnen und verurteilen muss. Für beide Theorien finden sich ja eine Menge belegende Informationsmaterialien und Texte. Ich möchte im folgenden 2-Teiler das Pro und Contra gegenüberstellen, um abschließend ein eindeutiges Fazit abgeben zu können.
Viel Spaß
Milch - Calciumräuber statt Calciumlieferant?
Magnesium ist der Knackpunkt
Seiten wie beispielsweise milchlos.de verbreiten wahre Verschwörungstheorien über Milchprodukte und setzen sie allesamt auf die schwarze Liste der gefährlichsten Lebensmittel überhaupt. Milchlos.de sieht Milchprodukte als klare Calciumräuber an und begründet diese These damit, dass für die Absorption von Calcium bestimmte Mengen Magnesium benötigt werden, an denen es der Milch mangelt.
Anmerkung
Der Bundeslebensmittelschlüssel gibt für 100ml fettarme Milch einen Calciumwert von 123mg bei einem gleichzeitigen Gehalt von 14mg Magnesium an. Vorzugsmilch liefert 120mg Calcium und 12mg Magnesium. Das Verhältnis ist also tatsächlich unausgeglichen
Beigefügte Darstellung zeigt das Verhältnis von Calcium zu Magnesium und Calcium zu Phosphor (darüber später mehr) einiger pflanzlicher Calciumquellen und Milch
Ist zu wenig Magnesium vorhanden, kann dies die Calciumabsorption um 75% auf einen Restwert von 25% senken. Das übrige Calcium lagert sich teilweise an den Arterienwänden an, bildet sich dort zu arteriosklerotischer Plaque aus oder kann die Ausbildung von Nierensteinen begünstigen. Magnesium wird neben der Absorption von Calcium auch für das Auslösen von Calciumphosphatsteinen benötigt.
Vermeiden kann man einen Calciumverlust, indem man es hauptsächlich aus pflanzlichen Quellen aufnimmt, da hier einerseits kein Calcium verloren geht und andererseits die Absorptionsquote hervorragend ausfällt. Schuld an der besseren Aufnahme ist ein reduziertes Aufkommen an absorptionshemmendem in Kombination mit einem vermehrten Aufkommen an absorptionsförderndem Magnesium.
Zwischenfazit
Die Calciumaufnahme scheint durch ein schlechtes Verhältnis von Calcium zu Magnesium tatsächlich schlechter auszufallen, als dies bei vielen pflanzlichen Calciumquellen der Fall ist
Relativierende Aussagen zur Calciumabsorption
Kritiken zu einer schlechteren Absorptionsfähigkeit werden von anderer Stelle dementiert. Die wenigen wirklich aussagefähigen Studien zur tatsächlichen Aufnahmefähigkeit von Calcium, die mittels radioaktiven Calciumisotopen durchgeführt wurden, stellen zwischen der Aufnahme von Calcium aus Milchprodukten, Gemüse, Obst oder Calciumpräparaten keinen signifikanten Unterschied fest.
Egal ob pasteurisiert (hocherhitzt) oder nicht, die Absorption von Calcium findet im Bereich von 25-45% statt. Es stimmt zwar, dass im Rahmen der Pasteurisierung Caseinmicellen, die eigentlich die Absorption im Darm erleichtern, zerstört werden und es zur Ausbildung schlecht resorbierbarer Calciumphosphate kommt, diese wiederum werden aber von der Magensäure aufgebrochen und durch proteolytische Enzyme wieder aus dem Verbund gelost, sprich damit verfügbar gemacht.
Relativierende Aussagen zum Calciumgehalt in pflanzlichen Lebensmitteln
Zitat
„Eine Tasse Milch enthält 291 mg Kalzium. Eine Tasse gekochtes grünes Gemüse enthält fast genau so viel (290 mg)“
Ausgehend von der Umrechnung bei Milch hat die hier verwendete Tasse eine Füllmenge von 236ml. Nehmen wir dasselbe Gewicht bei Gemüse (Rosenkohl, Brokkoli, Kopfsalat) an (durchschnittlicher Calciumgehalt 47mg) so komme ich auf lediglich 110mg Calcium.
Selbst wenn man die schlechtere Absorptionsquote berücksichtigt und 20% der Calcium-Ausbeute von Milch abzieht, verbleiben gegenüber 110mg bei Gemüse immer noch 232mg, die wir durch Milch an Calcium aufnehmen. Woher nehmen diese Veröffentlichungen deren absurde Daten!?
Die DGE legt den Calciumbedarf auf 1200-1500mg pro Tag (auch zu dieser Empfehlung später noch mehr) fest. Um sich mit einer solchen Empfehlung bedarfsdeckend zu ernähren, wäre die Aufnahme von 1kg Brokkoli, 600g Haselnüssen oder 600g Petersilie notwendig, während im Gegenzug etwa 1 Liter Milch dieselbe Menge liefert.
Fazit
Gemüse liefert in vielen Fällen auch unter Berücksichtigung einer möglichen besseren Absorptionsfähigkeit (deren tatsächliche Existenz auf wackeligen Beinen steht) dank einem höheren Gehalt an Magnesium und weniger Eisen netto zu wenig Calcium, um unter normalen Umständen eine aquädate dauerhafte Versorgung zu sichern.
Calciumräuber Phosphor
Zu viel Phosphor löst Calcium aus den Knochen aus
Auch ein schlechtes Calcium/Phosphor-Verhältnis wird Milchprodukten im Gegensatz zu Gemüse zur Last gelegt. Ein Phosphatüberschuss vermindert die Verfügbarkeit von Magnesium und sorgt in der Nebenschilddrüse für eine vermehrte Sekretion von Parathormon, welches wiederum die Freisetzung von Calcium aus den Knochen fördert und so die Entstehung von Osteoporose begünstigt. Die Bioverfügbarkeit von Phosphor aus tierischen Quellen ist allgemein höher angesetzt, da Phytine in pflanzlichen Lebensmitteln oftmals Bindungen mit Phosphor eingehen. Die größten Phosphorbestände unseres Körpers finden sich übrigens in unseren Knochen, wo es stützende Funktionen übernimmt.
Als optimales Aufnahmeverhältnis wird 1:1 - 1:1,2 (Calcium:Phosphor) angegeben.
Milchprodukte keine Phosphorbomben!
Sieht man sich den Verhältnisvergleich zwischen Calcium und Phosphor in Milch und pflanzlichen Calciumträgern an, so fällt auf, dass es mit 1:1,24 (Ca:Ph) besser ausfällt als das Verhältnis bei Kopfsalat, grünem Paprika, Brokkoli, Spinat und auch Gurke. Ein hohes Aufkommen an absorptionshemmenden Phytinen ist in diesen Gemüsesorten auch nicht zu erwarten, da diese hauptsächlich in Getreideprodukten vorkommen.
Fazit
Zuviel Phosphor, welches zur verstärkten Freisetzung von Calcium aus den Knochen führt, nehmen wir nicht zwangsläufig durch den Konsum von Milchprodukten auf.
Hohe Calciumverluste durch hohe Mengen Protein
Studien contra Milchprodukte
Zum Thema Osteoporose gibt es zu sagen, dass diese eher durch einen vermehrten Calciumverlust entsteht, als durch eine mangelnde Calciumzufuhr ausgelöst zu werden. Gerade die in Verbindung mit Milchprodukten stattfindende hohe Eiweißaufnahme sorgt dafür, dass 50% des aufgenommenen Calciums wieder über den Urin ausgeschieden wird. Von Vegetariern ist bekannt, dass bei Ihnen das Osteoporose-Risiko niedriger ausfällt. Schuld daran soll mitunter eine reduzierte Proteinmenge sein.
Gerade Frauen sind nach Eintritt der Wechseljahre stark gefährdet, Osteoporose auszubilden. Der jährliche Verlust an Skelettmasse beträgt durchschnittlich 1-1,5%. Ab etwa dem 35-ten Lebensjahr erhöht sich der Knochenmasseanteil nicht mehr. Schuld an dieser Tatsache sind hauptsächlich hormonelle Veränderungen und hier gerade das reduzierte Aufkommen an Östrogen.
Eine Studie der Universität Harvard beobachtete 75.000 Frauen über 12 Jahre hinweg hinsichtlich ihres Konsumverhaltens bei Milchprodukten und der Widerstandsfähigkeit ihrer Knochen. Es konnte gezeigt werden, dass es mit hoher Aufnahme von Milch nicht zu einer erhöhten Widerstandsfähigkeit kam, sondern dass das Risiko für Knochenbrüche sogar anstieg. Die Forscher machen hauptsächlich die säurebildende Wirkung der Milchprodukte (des Proteinanteils) dafür verantwortlich, dass verstärkt Calcium aus den Knochen ausgelöst werden muss.
Eine Studie der Universität of California aus 2001 stellte einen Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Protein über hauptsächlich tierische Lebensmittel und einem erhöhten Knochenschwund- und Hüftfrakturrisiko bei Frauen im Vergleich zur Aufnahme vermehrt pflanzlicher Proteinquellen fest und gibt dem vermehrten Aufkommen an schwefelhaltigen Aminosäuren und Phosphat die Schuld.
Milch tatsächlich ein außerordentlicher Säurebildner?
Milchprodukte als Calciumkiller zu betiteln und die starke Säurebelastung des Körpers dafür verantwortlich zu machen, dass diese zu einer Auslösung von Calcium aus den Knochen sorgt, ist sicher nicht ganz falsch, dennoch ist die Sichtweise sehr einseitig.
Zur Bestimmung der Auswirkung bestimmter Lebensmittel auf den Säure-Basenhaushalt gibt es den sog. PRAL-Index. Sieht man sich beispielhaft die beigefügten Darstellungen an, wird klar, dass Milchprodukte im Vergleich zu Gemüse definitiv stärker für eine Säurebelastung des Körpers sorgen. Sowohl Getreide als auch Fleisch stehen dieser Eigenschaft von Milchprodukten aber in nichts nach, weshalb hier eher die gesamte Ernährungssituation entscheidet, wie es sich mit dem ph-Gleichgewicht verhält und wieviel Calcium aus den Knochen benötigt wird, um einen möglichen Säureüberschuss auszugleichen.
Protein nicht generell der Feind!
Wer sich längere Zeit über Bedarf mit Protein versorgt riskiert damit eine sog. Hypercalciurie, also eine vermehrte Ausscheidung von Calcium über die Nieren. Es entsteht so ein Calciummangel im Blut, der durch ein vermehrtes Auslösen aus den Knochen kompensiert wird. Interessant ist an dieser Stelle, dass nicht alle Aminosäuren gleichermaßen eine Hypercalciurie fördern. Unter Verdacht stehen hier besonders schwefelhaltige Aminosäuren wie Cystin und Methionin, während man von L-Lysin weiß, dass es die Calciumresorption im Darm und die Calciumrückresorption in der Niere sogar fördert.
Wie beigefügte Darstellungen zeigen, zählt Milch nicht zu den Spitzenreitern in Sachen Methionin, sondern wird zusammen mit Nüssen und Cerealien zu den Lebensmitteln mit mittlerem Gehalt gezählt.
Wesentlich höhere Mengen Methionin finden sich in Fleisch, Eiern oder aber verarbeiteten Milchprodukten mit höherer Kalorien- und folglich auch Aminosäurendichte.
Stark methioninhaltige Lebensmittel wie Magerquark oder Käse sind es aber wiederum auch, die größere Mengen Lysin liefern, weshalb sich der Einfluss hier zu relativieren scheint. Fisch hat beim Lysingehalt die Nase ganz weit vorn, während Gemüse aufgrund des gesamt niedrigen Proteingehalts schlecht abschneidet, dafür aber auch nur wenig schwefelhaltige Aminosäuren und damit Säurebildner liefert.
Fazit
Milchprodukte tragen aufgrund des hohen Proteinanteils zu einem Säureüberschuss bei, während Gemüse eindeutig zu den Basenbildner zählt und den ph-Wert so in die entgegengesetzte Richtung beeinflusst. Falsch ist es jedoch an dieser Stelle auch wieder, Milch als außerordentlichen Säurebildner herauszustellen, denn das ist sie zumindest im Vergleich zu anderen Proteinträgern nicht! Unterm Strich entscheidet auch hier die komplette Ernährungsweise und nicht allein die Aufnahme von Milchprodukten darüber, ob es zu einer vermehrten Ausscheidung von Calcium aus den Knochen kommt.
Resümee
Im ersten Teil habe ich mich mit den ersten Substanzen befasst, denen ein negativer Einfluss auf die Absorption von Calcium oder Knochenstatus mit Calcium nachgesagt wird.
Zum Gesamtgehalt an Calcium muss gesagt werden, dass es sehr wohl auch pflanzliche Calciumquellen gibt, deren Gehalt aber die Aufnahme hoher Mengen bedarf, um eine ausreichende Versorgung selbst ohne Berücksichtigung möglicher absorptionshemmender Substanzen zu gewährleisten.
Auch wenn das Verhältnis von Calcium zu Magnesium in Milch tatsächlich relativ unausgewogen zu Ungunsten des Magnesiums ausfällt, zeigen wirklich repräsentative Untersuchungen keine wirklichen Unterschiede in der Aufnahme von Calcium aus pflanzlichen Quellen oder Milch.
Das in Milch enthaltenes Phosphor die Calciumaufnahme behindern soll ist ein Mythos. Das Verhältnis von Calcium zu Phosphor fällt in Milchprodukten nicht signifikant schlechter und teilweise sogar besser aus wie man es bei anderen Calciumlieferanten beobachten kann.
Protein ist ein Faktor, der in Milchprodukten für einen Überschuss an Säure sorgt. Dieser wiederum kann sich negativ auf das Calciumgleichgewicht auswirken. Anders als vielfach dargestellt, ist dies nicht ein reines Problem von Milchprodukten, sondern generell von Proteinträgern und hier wiederum ganz besonders von Proteinträgern mit einem hohen Gehalt an stickstoffhaltigen Aminosäuren. Es kommt also letztlich auf die Aufnahme an Gesamtprotein und ausgleichender Basenbildner an, ob sich der Proteinanteil aus Milchprodukten negativ auf das Calciumgleichgewicht auswirkt oder nicht.
In Teil 2 werde ich mich noch mit den Auswirkungen einer zu hohen und zu niedrigen Calciumzufuhr befassen und vor meinem Resümee abschließend noch eine Studie der ETH zitieren, die sich mit diesem Thema befasst hat.
Bis dahin verbleibe ich mit sportlichem Gruß
Euer
Holger Gugg
www.body-coaches.de
Quellen
Eberhard, P.; Bütikofer, U.; Sieber, R.: Vitamine in gelagerter hocherhitzter Milch. Publikation der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP (Schweizerische Bundesbehörden)
Schweizer Milchproduzenten, Newsletter "Maillaiter": Artikel Trinkmilch, Sept. 2006
Cho, E.; Smith-Warner, SA.; Spiegelman D. et al.: dairy foods, calcium and colorectal cancer: a pooled analysis of 10 cohort studies. J Natl Cancer Inst 2004;96:1015-22
Chan, JM.; Cann, PH.; Giovannucci, EL.: Role of diet in prostate cancer development and progressive. Jclin Oncol 2005;23:3152-60
http://www.milchlos.de/milos_0814.htm
http://www.ernaehrung-fuer-gesundheit.de/Mineral-Spuren/P-Bedarf.html
http://www.ernaehrung-fuer-gesundheit.de/sek-Pflanzenstoff/Phytat.html
http://www.vitalstoff-lexikon.de/Aminosaeuren/Lysin/Lebensmittel.html
http://harnsteine.net/index.php?id=123
Säure-Basen-Haushalt – Was geschieht, wenn unser Körper „sauer“ist? – Teil 2 (www.peak.ag)
https://archinte.jamanetwork.com/article.aspx?articleID=1568523
Dietary and Supplemental Calcium Intake and Cardiovascular Disease MortalityThe National Institutes of Health–AARP Diet and Health Study Qian Xiao, PhD; Rachel