Bodybuilding & Muskelaufbau

Warum Proteine auch beim Abnehmen wichtig sind

Sieht man sich die weltweite Ausbreitung von Übergewicht an, liegt nahe, dass Abnehmen im Sinne einer Reduzierung von Körpergewicht in der ersten Instanz und weiterführend in einer Reduzierung des Körperfettgehalts bei weitem nicht nur ein optisches, sondern viel mehr ein gesamt-gesellschaftliches Thema darstellt. Als Abnehmwilliger sieht man sich konfrontiert mit einer schier unüberwindbaren Vielzahl an Programmen, Produkten, Tipps und Vorgehensweisen, die einem täglich in nahezu jedem Medium um die Ohren gehauen werden. Unsicherheit das Richtige zu tun ist in der heutigen Zeit viel mehr ein Problem, als das eigentliche Vorhaben Gewicht zu verlieren!

Makronährstoff-Lehre ist neben Grundlagen der Kalorienbilanz der Eckpfeiler einer jeden Diätstrategie, ganz egal wer diese aufstellt. Unter den Makronährstoffen Protein, Kohlenhydraten und Fett räumt der Main-Stream gerade Protein in Diätphasen eine besondere Stellung ein. Protein sei wichtig für den Erhalt fettfreier Masse, es soll den Kalorienverbrauch erhöhen, der sich allein über die Verarbeitung von Nahrung im Körper ergibt und scheinbar soll es auch vermehrt satt machen.

Was ist dran an diesen Thesen?

 

Protein schützt fettfreie Masse in Diätphasen

Protein ist die Grundvoraussetzung für den Aufbau von fettfreier Masse (Muskelmasse) in Aufbauphase sowie für den Erhalt fettfreier Masse (Muskelmasse) in Abnehmphasen. Dies bescheinigt sogar die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in deren Claim zu Protein als Nahrungsergänzung (1). Eine nicht unerhebliche Anzahl an Studien geht davon aus, dass eine Energiebeschränkung insbesondere in Zusammenhang mit Sport den Bedarf an Protein ansteigen lässt (2-10). Führende Fachgesellschaften (11 – 20) sehen für sportliche engagierte Menschen eine Proteinzufuhr in Höhe von 1,2 bis 2,2 g pro Kilogramm Körpergewicht vor, um den Bedarf zu decken, solange die kalorische Grundversorgung mindestens gegeben ist (hypokalorisch, isokalorisch).

Für Phasen defizitärer Versorgung muss die Rechnung jedoch neu gemacht werden. Aus einer Studie von Butterfield et al (4) geht hervor, dass eine Proteinaufnahme von 2 g pro Kilogramm Körpergewicht selbst bei nur leichtem Kaloriendefizit und in Verbindung mit 5 bis 10 Meilen-Läufen nicht ausreicht, um eine ausgeglichene Stickstoffbilanz herzustellen. Walberg et al (9) untersuchten die Auswirkungen energiebeschränkter Diäten bei männlichen, nicht wettkampfambitionierten Männern. Eine Gruppe nahm 0,8 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich, die andere nahm 1,6 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht zu sich. Trotz gleicher Gesamtkalorienaufnahme und schon binnen einer Woche verzeichnete die proteinarme Gruppe einen merklichen Verlust an fettfreier Masse (LBM) der so in der proteinreichen Gruppe nicht eintrat. Trotz abgeschwächtem LBM-Verlust vermochte auch die 1,6 g Protein Gruppe nicht, den Bedarf gänzlich zu auszugleichen. Weiterführende Studien von Mettler et al konnten zeigen, dass eine Proteinverabreichung von 2,3 g pro Kilogramm Körpergewicht in Hinblick auf die Aufrechterhaltung fettfreier Masse einer Aufnahme von 1,6 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht überlegen zu sein scheint. Arbeiten wie die von Phillips & Van Lohn oder Helms schlagen für Sportler unter Kalorienrestriktion eine Proteinaufnahme in einer Range ab 1,8 g pro Kilogramm Körpergewicht bis sogar 3,1 g pro Kilogramm fettfreie Masse vor.

Grundsätzlich gilt, dass die Proteinaufnahme umso höher ausfallen sollte, je höher das kalorische Defizit und je niedriger der Körperfettgehalt ausfällt.

Dies kann für eine Person mit noch höherem Körperfettgehalt bedeuten:

  • sich an einer Proteinzufuhr ab 1,8 g pro Kilogramm Körpergewicht zu orientieren
  • und/oder anstelle des Ist-Gewichts mit dem Zielgewicht zu arbeiten

Dies kann für eine Person mit niedrigem Körperfettgehalt bedeuten

  • sich an eine höhere Proteinzufuhr ab 2,3 g pro Kilogramm Körpergewicht zu orientieren

 

Protein erhöht den körpereigenen Kalorienverbrauch

Nahrungsinduzierte Thermogenese oder auch Thermic Effect of Food (TEF) lautet der Fachbegriff für Kalorien, die ein Energieträger dafür verbraucht, sich selbst zu verwerten. Immer wieder liest und hört man, dass dieser Effekt ganz besonders stark bei Protein auftritt und man darum Kalorien „intern“ sparen kann, wenn man mehr Protein mit hohem TEF und weniger Kohlenhydrate oder Fett mit geringerem TEF zu sich nimmt.

Was sich hier einfach und absolut klar liest, ist in Wirklichkeit weit weniger eindeutig. Forscher diskutieren in deren Abhandlungen zum TEF nicht nur über die tatsächliche Relevanz, sondern auch über zu berücksichtigende Variablen, die in diesem Kontext auftreten.

  • Studien von Heymsfield (21) und Kinabo (22) zeigen, dass viel mehr die Anzahl aufgenommener Gesamtkalorien und weniger die Art aufgenommener Makronährstoffe den TEF beeinflusst.
  • Segal & Kutin (23) zeigen Unterschiede in der Ausprägung des TEF in Abhängigkeit vom bestehenden Körpergewicht. Signifikanz verliere sich, bei bestehendem Übergewicht
  • Riggs et al (24) und Schutz et al (25) sehen den TEF ebenfalls eingeschränkt bei bestehendem Untergewicht verglichen mit Normalgewichtigen
  • Vaz et al (26) und Kinabo et al (27) belegen Unterschiede im TEF in Hinblick auf die Größe der jeweiligen Mahlzeiten. Weniger und dafür größere Mahlzeiten erzeugen demnach einen größeren TEF als mehrere kleine Mahlzeiten
  • Schließlich zeigen Barr et al (28), dass der Verarbeitungsgrad von Lebensmitteln sich auf den TEF auswirkt. Je verarbeiteter ein Lebensmittel desto geringer der TEF.

Für die Praxis bedeutet dieses Gewirre, dass ein Abnehmwilliger nicht in der Lage ist zu quantifizieren, wie viele Kalorien genau er sich über den TEF sparen kann oder wird. Protein scheint den stärksten Thermic Effect of Food auszulösen, allerdings können zig Variablen, wie vorgestellt, diesen Effekt entweder verstärken oder gänzlich zu Nichte machen. Man sollte die Zielkalorien seiner Diät unabhängig des TEF ermitteln! Mehr Protein zu verzehren kann aus Sicht von Brutto- und Nettokalorien einen zusätzlichen Benefit darstellen, muss es aber nicht.

 

Protein hält mich länger satt

Die dritte „Pro-Protein-In-Der-Diät“ These besagt, dass man in defizitären Phasen von mehr Protein profitiert, da es länger satt hält. Wer länger satt ist, kann eine Diät besser umsetzen und langfristig durchhalten.

Um diese Aussage zu quantifizieren, legten Holt et al (29) 1995 den sogenannten Satiety Index of Common Foods fest. Hierzu verabreichten sie Probanden jeweils 1000kj aus 38 verschiedenen Lebensmittel. Sie bestimmten über die folgenden 3 Stunden das Hungergefühl und dokumentierten weiter die Menge an Kalorien, die von den Probanden drei Stunden später an einem Buffet aufgenommen wurden. Beigefügte Darstellung zeigt den Sättigungs-Index verschiedener Nährstoffgruppen. Für Weißbrot wurde ein willkürlicher Referenz-Wert von 100 vergeben:

Proteine beim Abnehmen

Aus diesen Daten lässt sich keine klare Aussage ableiten, inwieweit Protein nun tatsächlich der Spitzenreiter in Sachen Sättigung ist. Was die wenigen Beispiele aber dennoch zeigen ist, dass proteinreiche Lebensmittel tendenziell sättigender zu sein scheinen.

Spannend erscheint es in diesem Zusammenhang sich mit der Energiedichte zu befassen. Der Begriff stellt das Gewicht eines Lebensmittels ins Verhältnis mit den enthaltenen Kalorien. Es lässt sich ableiten, dass Lebensmittel mit einer geringen Kaloriendichte wie beispielsweise Kartoffeln oder Orangen im Verhältnis zu den aufgenommenen Kalorien eher sättigen als Lebensmittel mit hoher Kaloriendichte wie beispielsweise Vollfettkäse. Letztlich geht auch von Lebensmitteln mit einem höheren Gehalt an Ballaststoffen eine stärkere Sättigung aus als von Lebensmitteln mit niedrigem Gehalt an Faserbestandteilen.

Zurückkommend auf das Ausgangsthema bescheinigt eine Meta-Analyse von Dhillin et al (30), dass die Verwendung von insgesamt mehr Protein in der Ernährung stärker sättigt als die Verwendung von weniger Protein. Einzelstudien wie die von Lim et al (31) verglichen ebenfalls mehrere Proteinmengen auf deren Sättigungseffekt in Verbindung mit einer kalorienreduzierten Diät und stellten keinen signifikanten Vorteil unter High-Protein-Bedingungen fest. Da in der High-Protein-Gruppe lediglich 1,2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht verabreicht wurden, ist dieses Ergebnis methodisch angreifbar und nicht repräsentativ.

 

Resümee

Proteine sind für erfolgreiche Abnehmphasen in erster Linie wichtig, um damit fettfreie Masse vor dem vermehrten vorzeitigen Abbau zu schützen. Hierfür erscheint es sinnvoll, in Reduktionsphasen etwas mehr Protein zu sich zu nehmen als in Phasen mit ausreichender Energieversorgung.

Protein vermittelt eine recht ordentliche Sättigung und kann auch das Verhältnis von Brutto- zu Nettokalorienverwertung zu Gunsten einer Reduktion verschieben. Eine Abnehmstrategie auf diese beiden Eigenschaften auszulegen wäre jedoch falsch, da einerseits auch andere Nahrungsbestandteile wie beispielsweise die nahezu kalorienfreien Ballaststoffe stärker sättigen und andererseits der tatsächliche Thermic Effect of Food von etlichen Variablen abhängt, die man nicht allesamt überschauen kann.

 

Sportliche Grüße
Holger Gugg

www.Body-Coaches.de

 

 

 

 

Quellen

(1) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/de/ALL/?uri=CELEX%3A32012R0432/
(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21558571/
(3) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20205751/
(4) https://europepmc.org/article/med/3316915
(5) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22150425/
(6) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19927027/
(7) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15173435/
(8) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16526835/
(9) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/3182156/
(10) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24092765/
(11) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/11023001/
(12) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/17213878/
(13)https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18577776/
(14) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21660839/
(15) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/14971434/
(16) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/22150425/
(17) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/15212752/
(18) https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/17461390801919128
(19) https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/17461390801919102
(20) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18500966/
(21) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6748948/
(22) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/2400767/
(23) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6843364/
(24) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2211287/
(25) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/6695838/
(26) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/7493434/
(27) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/2387273/
(28) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2897733/
(29) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/7498104/
(30) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/26947338/
(31) https://www.mdpi.com/2072-6643/14/3/538