Übergewicht ist ein weltweites Problem, das sich nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die geistige Gesundheit auswirken kann. In Abhängigkeit der Ausprägung kann Übergewicht mit einem erhöhten Risiko für die Gesamtsterblichkeit, sowie mit etlichen organischen und metabolischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck, Lebererkrankungen, Schlafapnoe oder Osteoarthritis in Verbindung stehen (1). Daneben sorgt die Tatsache „übergewichtig“ zu sein häufig auch für psychische Probleme wie Traurigkeit, Depressionen oder Motivationsverlust (2). Im schlimmsten Fall entsteht ein Teufelskreislauf, bei dem eben solche schlechten Gefühle in einem zusätzlichen Gang zum Kühlschrank resultieren. Man bezeichnet dies als „Emotional Eating“ (3). Zu allem Überdruss wird man in den sozialen Medien mit Postings unter Hashtags wie #cleaneating oder #fitspiration konfrontiert, die einer neuen Studie (4) zur Folge dafür sorgen können, dass schlechte Gefühle in Verbindung mit sich selbst noch weiter zunehmen.
Hast Du es trotz aller Widrigkeiten dennoch geschafft erfolgreich abzunehmen, erwartet Dich nun die eigentliche Hürde. Studien, die sich mit der Zeit nach einer Abnehm-Maßnahme befassen, zeigen, dass nur etwa 25 % aller Personen es schaffen, dieses Gewicht auch über längere Zeit zu halten (5, 6).
NUN ABER GENUG MIT NEGATIVEN SCHLAGZEILEN
Für erfolgreiches und dauerhaften Abnehmen braucht es neben einem festen Willen, einer klaren Zielsetzung und Durchhaltevermögen zudem eine gute Strategie. Das Internet ist voll von klugen Ratschlägen und dennoch sehe ich in der Praxis, dass nach wie vor immer wieder dieselben Diätfehler gemacht werden.
Fünf dieser Fehler, die mir immer wieder in meiner aktiven Praxis als Coach auffallen, stelle ich Dir heute vor.
SEI KLÜGER UND VERMEIDE SIE
1. Vertraue nicht auf Dein Gefühl
Ein „Grundgesetz des Abnehmens“ findet sich im Modell der Kalorienbilanz. Zwar hat auch dieses Konzept große Schwachstellen (sicher kennst du schlaue Sprüche wie „Kalorien sind alle gleich“ oder „solange Du im Defizit bist, nimmst Du auch ab“), es gilt dennoch als unabdingbar, sich für erfolgreiches Abnehmen in ein Kaloriendefizit zu begeben, um dem Körper damit zu signalisieren, dass Fettdepots zum Erhalt der körperlichen und geistigen Performance freigesetzt werden müssen.
Um zu wissen, ob man wirklich im Kaloriendefizit steckt, ist es notwendig, sich Kenntnis über die beiden tragenden Komponenten der Kalorienbilanz zu verschaffen.
Diese sind:
- Kalorienaufnahme
- Kalorienverbrauch
In der Praxis sehe ich häufig Menschen, die im Glauben an einen gesunden Lifestyle keine Ahnung davon haben, wie hoch deren Kalorienverbrauch ausfällt und im Gegensatz wie viele Kalorien sie zu sich nehmen. Noch schwieriger gestaltet es sich Menschen zu „bekehren“, die von sich behaupten „es im Gefühl“ zu haben, wie viel sie essen und wie viele Kalorien sie im Gegenzug verbrauchen.
Mein Tipp: Vertraue nicht auf Dein Gefühl!
Es ist abwegig zu denken, man habe es im Gefühl, wann man im Kaloriendefizit angekommen ist. Underreporting bei der Aufnahme von Kalorien und Overreporting beim Verbrauch von Kalorien sind im Real-Life an der Tagesordnung und das sogar noch bei Menschen, die bereits eine erfolgreiche Abnehmphase hinter sich haben (7). Befasse Dich darum akribisch mit dem Thema Kalorien. Auch wenn es manchmal lästig erscheint, Kalorien zu tracken und den Verbrauch zu messen, wird sich die Arbeit lohnen. Die Alternative hierzu ist, das gesamte Thema rundum Kalorien sowie die Gestaltung von Ernährung und Training an eine fachkundige Person abzugeben, die genau das tagein tagaus macht und auch noch Freude daran findet.
2. Setze nicht nur auf ein Pferd
Übergewichtig wird man meist nicht ohne Grund. Die einen haben es genetisch bedingt etwas schwerer ihr Wunschgewicht zu halten, die anderen etwas leichter und dennoch haben eine gute Figur und ein gesundes Körpergewicht immer etwas mit dem Lifestyle zu tun. In der Praxis sehe ich häufig, dass Abnehmwillige sich entweder Mühe damit geben weniger zu essen oder damit beginnen sich mehr zu bewegen. Die beste Strategie nutzt beide Hebel!
Zwar zeigen Studien wie von Kreider (8), dass es sich beim Diät-Hebel Ernährung um das primäre Mittel zur Gewichtsreduzierung handelt. Bewegung kann jedoch als wirksames Additiv fungieren. Hier wiederum räumt man insbesondere Krafttraining den Effekt ein, fettfreie Masse im Rahmen einer Abnehmphase zu fördern und den Ruheenergieumsatz zu erhalten. Bewegung mit geringer bis moderater Intensität wie beispielsweise Ausdauertraining habe ansonsten zwar einen gesundheitlichen Nutzen, wirke sich aber nur geringfügig auf die Gewichtsabnahme aus.
Mein Tipp: Ernährung und Training gibt es nur im Doppelpack
Eine Ernährungsanpassung funktioniert am besten, wenn sie durch die richtige Bewegung unterstützt wird. Wer erfolgreich und dauerhaft abnehmen will, kommt um regelmäßiges Krafttraining nicht umher. Auch Ausdauertraining hat eine gewisse Bedeutung und macht Sinn. Wenn Dein zeitliches Kontingent aber nur eine gewisse Stundenzahl für Sport pro Woche bereithält, gebe Krafttraining den Vorrang.
3. Falle nicht in Extreme
Es gibt die Faulen und die Übermotivierten. Beides ist nicht gut, wobei ich sagen muss, dass mir die Faulen als Coach deutlich lieber sind. Wer sich zu wenig bewegt und/oder zu viel und falsch isst, kann mit genügend Eigenmotivation und der richtigen Taktik sehr schnell sehr viel erreichen. Immens schwieriger gestaltet sich da die Vorgehensweise bei Menschen, die schon sehr wenig essen, sich sehr viel bewegen und dennoch ihr Wunschgewicht nicht erreichen.
Im zweitgenannten Falle werden die Gesetze der Kalorienbilanz gänzlich ausgehebelt. Im anhaltenden starken Kaloriendefizit reagiert unser Körper mit Kompensationsmaßnahmen, die allesamt dem Ziel dienen, Energie zu sparen und am evolutionären Energiereservoir, den Fettdepots, festzuhalten. Die Körpertemperatur senkt sich leicht, Muskelmasse wird bereitwillig in Energie (Glucose) umgewandelt und ohne es zu bemerken bewegen wir uns im Alltag einfach weniger (man nennt diesen Kalorienumsatz NEAT – Non-exercise Activity Thermogenesis) (9). Auf der anderen Seite kann es aber auch zu einer Dysregulation der Hunger- und Appetitsteuerung kommen. Zwar konnte dieser Effekt von der Wissenschaft noch nicht ausreichend erklärt und standardisiert werden (10), in der Praxis tritt er aber definitiv auf.
Mein Tipp: Raus aus den Extremen
Je dicker Du wirst, desto schwieriger wird es für Dich werden Deine Wunschfigur jemals zu erreichen. Auch die Strategie sehr viel Bewegung gepaart mit sehr wenig Essen kann jedoch in die Hose gehen. Kommst Du damit nicht ans Ziel ist die Lösung NICHT, noch weniger zu essen oder noch mehr zu trainieren!
4. Vernachlässige nicht den Faktor Schlaf
Welchen Stellenwert ausreichend und guter Schlaf auf Deinen Diäterfolg hat, wurde erst kürzlich in einer Studie (11) untersucht. 156 übergewichtige oder adipöse Probanden unterzogen sich einer 18-monatigen Gewichtsreduzierungsmaßnahme aus Diät und körperlicher Betätigung. Die Forscher erhoben das Körpergewicht, das Schlafverhalten (via SenseWear) und die Energieaufnahme (Protokolle) zu Beginn sowie jeweils nach 6, 12 und 18 Monaten. Wie sich zeigte, waren eine geringere Schlafeffizienz, häufigeres Aufwachen in der Nacht sowie eine verlängerte Einschlafzeit mit einem signifikant geringeren Gewichtsverlust verbunden. Auch reduzierte schlechterer Schlaf die Wahrscheinlichkeit der Probanden, auf die vorgeschriebene Zeit mit körperlicher Aktivität von 300 oder mehr Minuten pro Woche zu kommen.
Mein Tipp: Guter Schlaf ist die halbe Miete
Abnehmen funktioniert wesentlich besser und auch entspannter, wenn der Abnehmwillige es schafft, dem Faktor Schlaf ausreichend Bedeutung einzuräumen. Die Mechanismen, die dafür sorgen, dass schlechter oder zu wenig Schlaf Deine Diät kompromittieren können, sind vielfältig. Sie reichen über Verschiebungen im Hormonhaushalt (Testosteron/Cortisol) und Veränderungen beim Hunger- und Sättigungsempfingen, bis hin zur oben thematisierten verringerten Bereitschaft zu körperlicher Aktivität.
5. Vernachlässige nicht den Faktor Stress
Zu guter Letzt kann auch Dein vorherrschender Stresslevel den Erfolg Deiner Diät maßgeblich beeinflussen. Wie Übergewicht kann man auch Stress mit einer Vielzahl von negativen Begleiterscheinungen auf die Gesundheit in Verbindung bringen. Eine verschlechterte Regeneration nach körperlicher Betätigung (12), ein direkter Effekt auf das Essverhalten (13) oder aber Störungen im Zuckerstoffwechsel (14) zählen zu den Auswirkungen, die einem Abnehmvorhaben im Wege stehen können und das auch werden!
Mein Tipp: Finde die Balance
Es gestaltet sich äußerst kontraproduktiv, zu viele Termine und Aufgaben in seinen Alltag zu integrieren oder aber sich zu vielen Stressoren auszusetzen. Auch energetisches Defizit stellt per se einen Stressor dar, weshalb man gerade in der Diät für ein geregeltes Umfeld mit einem überschaubaren Stresslevel achten sollte, um „in Ruhe“ abnehmen zu können.
ICH WÜNSCHE DIR VIEL ERFOLG BEIM VERMEIDEN DIESER FEHLER!
Sportliche Grüße
Holger Gugg
Quellen
(1) https://www.mdpi.com/2072-6643/14/6/1259
(2) https://link.springer.com/article/10.1007/s00059-006-2802-1
(3) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2859040/#!po=6.48148
(4) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S1740144522000821?via%3Dihub
(5) https://www.nature.com/articles/ijo201559
(6) https://www.ajpmonline.org/article/S0749-3797(13)00528-X/fulltext
(7) https://academic.oup.com/ajcn/article/114/1/257/6179024?login=false
(8) https://www.researchgate.net/publication/355995328_Exercise_and_Nutritional_Strategies_to_Promote_Weight_Loss_A_Narrative_Review
(9) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK279077/
(10) https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S2451847620300336
(11) https://www.nature.com/articles/s41366-022-01141-z
(12) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/24343323
(13) http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0195666316300344
(14) https://www.karger.com/Article/FullText/522431