Creatin ist die nachweislich wirksamste Substanz, wenn es darum geht, Kraftleistungen zu steigern. Creatin in seiner Form als Monohydrat wurde so oft untersucht wie keine andere Nahrungsergänzung. In etlichen Studien und Übersichtsarbeiten wird Creatin neben guten Effekten auch Sicherheit im Rahmen einer konventionellen Anwendung bescheinigt. Trotz dieser Tatsachen hält sich so mancher Mythos um Creatin hartnäckig. Die gängigsten Creatin-Mythen greifen wir heute einmal auf und stellen sie auf den Prüfstand.
Creatin zieht Wasser
Frühe Forschungen haben gezeigt, dass eine Kreatin-Supplementierung von 20 g pro Tag über sechs Tage mit Wassereinlagerungen einhergeht. Unter Verabreichung höher Mengen scheint es kurzfristig tatsächlich zu einem Anstieg an Gesamtkörperwasser, extra- und intrazellulärem Wasser zu kommen. Creatin ist eine osmotische Substanz, die durch einen natriumabhängigen Creatin-Transporter aus dem Blutkreislauf in die Zelle aufgenommen wird. Im Rahmen dieses Vorgangs wandert auch Wasser mit in die Zelle, um die intrazelluläre Osmolarität aufrecht zu erhalten. Trotz dieser theoretischen Möglichkeit berichten Studien höchst unterschiedlich darüber, ob und falls ja wie viel Wasser durch die Einnahme von Creatin in unterschiedlichen Verabreichungsmengen zusätzlich im Körper gespeichert wird. Wichtig bei der gesamten Diskussion ist zudem das Verhältnis von Skelettmuskelmasse und intrazellulärem Flüssigkeitsanteil im Auge zu behalten. Es fungiert als wichtiges zelluläres Signal für die Proteinsynthese.
Es gibt tatsächlich einige Hinweise darauf, dass eine Creatin-Supplementierung den Wasserrückhalt fördert. Dies ist jedoch in erster Linie auf eine Erhöhung des intrazellulären Volumens zurückzuführen. Über längere Zeit verabreicht ist es eher unwahrscheinlich, dass Creatin Wassereinlagerungen fördert.
Creatin fördert Nierenschäden
Im Skelettmuskel werden sowohl Creatin als auch PhosphoCreatin zu Kreatinin abgebaut. Dieses wird ins Blut abgegeben und mit dem Urin ausgeschieden. Gesunde Nieren filtern Kreatinin, das sonst im Blut ansteigen würde. Der Kreatinin-Spiegel im Blut kann als Marker für die Nierenfunktion verwendet werden, allerdings hängt die Menge an Kreatinin im Blut von mehreren Faktoren wie der vorhandenen Muskelmasse, der Kreatinin- und Creatin-Aufnahme ab. Es ist möglich, dass sowohl Blut- als auch Urin-Kreatinin-Spiegel durch die Einnahme von Creatin als Supplement oder aber von Creatin-haltigen Lebensmitteln ansteigen. Eine solche Beobachtung bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine Schädigung und auch nicht einen Funktionsverlust der Nieren.
Die aktuellste Übersichtsarbeit zu diesem Thema stammt von Longobardi et al (1) und äußert sich wie folgt:
„Trotz einiger anekdotischer Berichte und experimenteller Daten, die darauf hindeuten, dass Creatin schädlich für die Nieren sein könnte, zeigen kumulative Beweise aus unabhängigen, randomisierten und kontrollierten Studien eindeutig, dass dies nicht der Fall ist.“
Da es Lücken in der Literatur gibt, sollten Personen eine Creatin-Supplementierung nur unter Überwachung der Nierenfunktion in Erwägung ziehen,
- bei denen Nierenvorerkrankungen bestehen
- bei denen ein erhöhtes Risiko für eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate besteht
Creatin fördert Haarausfall
Die überwiegende Mehrheit der Spekulationen über einen Zusammenhang zwischen Creatin und vermehrtem Haarausfall stammt aus der Studie von Merwe et al (2). Bei männlichen Rugbyspielern die Creatin einnahmen (25 g/Tag für 7 Tage, gefolgt von 5 g/Tag für weitere 14 Tage) kam zu einem Anstieg von Serum-Dihydrotestosterons (DHT). DHT ist ein Metabolit von Testosteron, der entsteht, wenn das Enzym 5-alpha-Reduktase freies Testosteron in DHT umwandelt. Bei Männern kann sich DHT an Androgen-Rezeptoren in anfälligen Haarfollikeln binden und diese so beeinflussen, dass Haarausfall gefördert wird. Problematisch in der Studie von Merwe et al gestaltet sich die Tatsache, dass kein Anstieg bei Gesamttestosteron festgestellt wurde. Freies Testosteron wurde nicht bestimmt. Die Supplement-Gruppe stieg mit durchschnittlich 23% niedrigeren DHT-Werten in die Studie ein. Hierüber begründete sich am Ende dann die statistische Signifikanz im DHT-Anstieg. Die Studie wurde als solche nie repliziert. Zudem konnte nicht klar widerlegt werden, dass der Androgen-Anstieg anstelle von Creatin nicht über parallel ausgeführtes Widerstandstraining ausgelöst wurde.
Neben Merwe et al haben bislang 12 weitere Studien die Auswirkungen einer Creatin-Supplementierung auf Testosteron untersucht. Zwei Studien berichten von geringen, physiologisch unbedeutenden Anstiegen bei Gesamt-Testosteron, 10 Studien zeigen keine Veränderung der Testosteronkonzentration. In fünf der besagten Studien wurde freies Testosteron bestimmt, allerdings ohne Hinweise auf einen signifikanten Anstieg ausgelöst durch Creatin.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die derzeitige Beweislage nicht darauf hindeutet, dass eine Creatin-Supplementierung das Gesamttestosteron, freies Testosteron oder DHT in einer Art und Weise ansteigen lässt, dass dies Haarausfall verursacht.
Creatin fördert Dehydration und Muskelkrämpfe
In den frühen 2000-ern konnte man in einer Stellungnahme des American College of Sports Medicine (ACSM) (3) die hauptsächlich auf Spekulationen basierende Empfehlung nachlesen, eine Creatin-Supplementierung bei intensiven Belastungen in heißer Umgebung sei zu vermeiden. Creatin könne als osmotische Substanz Dehydrierung und Muskelkrämpfe verursachen, da es hauptsächlich in der Skelettmuskulatur vorkommt. Hierüber transportiert es Flüssigkeit vermehrt ins Zellinnere und beeinflusst damit in Situationen mit hohem Körperwasserverlust (Schwitzen, intensive Belastung) die Thermoregulation negativ. Es käme zu einer extrazellulären Dehydration, einem Elektrolyt-Ungleichgewicht und hierüber vermehrt zu Muskelkrämpfen oder anderen hitzebedingten muskuloskelettalen Problemen.
In Studien wurden derartige Zusammenhänge an Sportlern öfter widerlegt als gestützt. Die besser kontrollierten Untersuchungen geben sogar eine verringerte Häufigkeit von Krämpfen unter Creatin-Supplementierung wieder.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die experimentelle und klinische Forschung die These nicht bestätigt, eine Creatin Supplementierung würde Dehydration und Muskelkrämpfe verursachen.
Quellen
(1) https://www.mdpi.com/2072-6643/15/6/1466
(2) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/19741313/
(3) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10731017/