Liebe BLOG-Leserinnen und Leser, Liebe PEAK-Kundinnen und Kunden,
in Teil 1 meines 2-Teilers habe ich mich mit der Unterscheidung zwischen schnellen Proteinen und langsamen Proteinen, der Magenverweildauer und der Resorptionsgeschwindigkeit verschiedener Proteine befasst. Als Fazit bleibt hieraus festzuhalten, dass es tatsächlich eine Unterscheidung zwischen langsam und schnell verfügbarem Protein gibt. Die Begrifflichkeiten werden jedoch oftmals falsch interpretiert.
Langsame und schnelle Proteine – Ein Mythos? Teil 1
Heute möchte ich das Recherchierte aus Teil 1 als Grundlage nehmen, um zu erörtern, ob man nun von einer mehr oder weniger schnellen Resorptionsgeschwindigkeit Vor- oder vielleicht sogar Nachteile zu erwarten hat.
Viel SpaĂź
Unterschiede beim Aufnahmezeitpunkt?
Prinzipiell kann man davon ausgehen, dass die Aminosäurekonzentration nach der Aufnahme des entsprechenden Proteins zu jedem Tageszeitpunkt gleich hoch ausfällt. Was sich besonders bei der Aufnahme nach dem Training verändert, ist jedoch der Zufluss des Blutes zu den Muskelzellen. Untersuchungen zur Folge fällt dieser um 30-100% stärker aus als im ruhenden Zustand und beeinflusst damit auch die Proteinsynthese über diesen Mechanismus positiv.
Fazit
Besonders nach dem Training ist ein vermehrter Blutfluss zu den Muskeln zu erkennen. Wir benötigen diese Feststellung später nochmals….
Â
Resorptionsgeschwindigkeit und Protein-Turnover
Wir wissen aus Teil 1, dass es schnelle und langsame Proteine gibt, eine für viele sicher erleichternde Tatsache. Was wir aber noch nicht wissen, ist die Eigenschaft, inwieweit sich diese Unterschiede auf den körpereigenen Protein-Turnover, sprich den Auf- und Abbauvorgängen von Proteinen in unserem Körper, auswirken.
Studie
Hierzu untersuchten Boirie, Y., Dangin, M., Gachon, P. et. al den Einfluss einer 30g Portion Casein und derselben Menge Wheyprotein auf die Aminosäurekonzentration im Blut in einer Zeitfolge. Um zu unterscheiden, ob die gemessenen Aminosäuren aus der jeweiligen Mahlzeit oder dem endogenen Protein-Turnover entstammten, wurden an der Aminosäure Leucin des zugeführten Proteins radioaktive Tracer angebracht. Die Probanden waren 16 junge, gesunde Männer im Alter von durchschnittlich 24 Jahren und einem durchschnittlichen BMI von 21.
Im Ergebnis ist anhand von Darstellung 1 zu erkennen, wie der Gesamtanstieg bei Leucin ausfällt, wie sich parallel dazu der endogene Protein-Turn-Over verhält und wie sich letztlich die Aufnahme der beiden Proteine auf das Leucinaufkommen ausgewirkt hat.
Wie zu erwarten, löst das Wheyprotein einen schnellen und stärkeren Anstieg bei Leucin aus, hemmt den endogenen Proteinabbau damit kurzfristig stark und erzeugt letztlich in der Gesamtheit einen hohen, schnellen Anstieg bei Leucin, der seinen PEAK etwa bei 60 Minuten nach der Einnahme erreicht. Schon nach kurzer Zeit lässt sich wieder ein Abwärtstrend im Blutaminosäureaufkommen aufzeigen.
Das Casein erzeugte zwar ebenfalls nach etwas 60 Minuten schon ein erhöhtes Aufkommen an Leucin, allerdings nicht in der Größenordnung des Wheyproteins. Der endogene Proteinabbau wurde im Gegensatz zu Wheyprotein über eine weitaus längere Zeit gehemmt, was sich im Rahmen der Messdauer letztlich in 34% weniger Proteinabbau ausgewirkt hat.
Ă„hnliche Effekte auf den Proteinabbau, wie sie bei Casein eintraten, konnten bei Wheyprotein nicht verzeichnet werden, dafĂĽr stieg die Proteinsynthese hier kurzfristig schneller an.
Fazit
Wheyprotein sorgt für einen schnellen Anstieg des absoluten Aminosäureaufkommens, fällt aber schnell wieder ab. Im Gegensatz zu Casein erhöht es die Proteinsynthese schnell, übt jedoch keinen signifikanten Effekt auf den Proteinabbau aus, weshalb man hier Vermutungen anstellen kann, dass die Kombination aus beiden Proteinvarianten als generell potenteste Wahl angesehen werden kann.
Â
Schnelle oder langsame Proteine - Die bessere Wahl?
Eine generelle Frage, die sich zu unserem Thema nun stellt, ist die, ob die Verdauungsgeschwindigkeit nun tatsächlich ein Entscheidungskriterium beim Kauf einer Proteinergänzung darstellen sollte oder einzig und allein die Aminosäurekonstellation des jeweiligen Proteins über die positiven Effekte entscheidet.
Um das herauszufinden, haben Yves Boirie, Bernard Beaufrere und Kollegen einige äußerst interessante Studienergebnisse zu Tage gebracht. Im Laufe ihrer Untersuchungen machten sie folgende Feststellungen, von denen uns einige bereits bekannt sind:
- Molkenprotein wird schneller resorbiert als micellares Casein
- Die Aminosäuren aus Molkenprotein (allen voran BCAA und hier ganz besonders Leucin) dienen zu einem wesentlich größeren Anteil der Energiebereitstellung
- Micellares Casein kann generell, vor allem aber nach dem Training, den Abbau von Muskelprotein verhindern
- Micellares Casein ist schnellerem Molkenprotein in Sachen Verwertung ĂĽberlegen
Hinsichtlich der Auswirkungen der Verdauungsgeschwindigkeit stellten die Forscher fest, dass diese anscheinend sogar wichtiger zu sein scheint als das Aminosäureprofil des jeweiligen Proteins. Für weitere Untersuchungen verwendeten sie verschiedene Proteine, standardisierten aber die Aminosäurezusammensetzungen und den Stickstoffgehalt, um die reine Auswirkung der Aufnahmegeschwindigkeit zu ergründen.
In einem Vergleich der Auswirkungen von 30g Casein und einer Mischung aus 30g freien Aminosäuren kam es bei der Aufnahme der Aminosäuremischung zu einer schnelleren Aufnahme und einem Anstieg der Proteinsynthese. Beides trug jedoch weder zu einem verbesserten Leucingleichgewicht noch zu einer erhöhten Proteineinlagerung bei, sondern resultierte in einer verstärkten Oxidation von Aminosäuren, ähnlich der Rate bei standardisiertem Molkenprotein. Der Proteinabbau wurde mit der Aminosäuremischung nur geringfügig gehemmt, während die Aufnahme des langsamen Caseins den Abbau für über sieben Stunden signifikant hemmte.
In einer weiteren Untersuchung wurde eine Einmalgabe eines Proteins mit einer mehrmaligen Gabe von je 2,5g alle 20 Minuten verglichen. Wie aus dem Kapitel zur Magenverweildauer aus Teil 1 bekannt, war zu erwarten, dass der Proteindrink mit den kompletten 30g schneller verdaut und verwertet wird. Wie in den vorangegangenen Studien wurde ein Teil seiner Aminosäuren zur Energiegewinnung herangezogen, während der Proteinabbau nicht verhindert wurde. Die Verteilung auf mehrere Stunden sorgt für eine stetig erhöhte Aminosäurekonzentration von vier bis fünf Stunden, allerdings befand sich diese auf einem weitaus niedrigeren Niveau, als es bei der Einmalgabe nachgewiesen werden konnte. Die kleinen Gaben reduzierten den Proteinabbau, beeinflussten die Proteinsynthese aber nicht signifikant. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass die Höhe der Veränderung des Aminosäurespiegels und auch die Länge der Erhöhung entscheidende Faktoren darstellen. Schnell verfügbare Proteine (wie Molkenprotein) seien direkt nach dem Training besser geeignet, da die Muskulatur hier (wie oben bereits genannt) Protein effektiver aufnimmt. Langsam verfügbares Protein sorgt zu allen anderen Zeiten des Tages für eine verbesserte Aufnahme und schützt Körpergewebe besser vor dem Abbau.
Fazit
Mit Ausnahme des Zeitpunktes nach dem Training zeichnen sich langsamer verdauliche Proteine als die bessere Alternative ab, wenn es darum geht, Muskulatur aufzubauen, zu schĂĽtzen und zu erhalten.
Nettoausbeute als Nachteil schnell verdaulicher Proteine?
Nachdem eine schnelle Verdauungsgeschwindigkeit nun zumindest für bestimmte Tageszeitpunkte als vorteilhaft herausgestellt wurde, muss man dem Ganzen abschließend doch noch einen kleinen Abriss verschaffen. Julius Oben et al veröffentlichten 2008 eine interessante Studie im Journal of International Society of Sports Nutrition, in welcher sie anscheinend berechtigte Zweifel an der Nettoausbeute schnell verfügbarer Proteine anmeldeten. Sie untersuchten die Auswirkungen einer Einmalgabe von 50g Wheyprotein-Konzentrat auf die tatsächliche Resorptionsausbeute, einmal mit und einmal ohne die zusätzliche Aufnahme eines Verdauungsenzymkomplexes, an jungen gesunden und nicht übergewichtigen Probanden. Die CG (Control-Group) erhielt ein Placebo, TG-A-5 erhielt 5g eines Enzymkomplexes aus Proteasen, TG-A-2,5 2,5g desselben Enzymkomplexes.
Im Ergebnis zeigten sich signifikante Unterschiede im Aufkommen an Aminosäuren im Blut, wie beigefügte Darstellungen zeigen:
Zweitrangig sind an dieser Stelle die unterschiedlichen Auswirkungen der 2,5 oder 5g starken Ergänzung auf die Nettoaufnahme. Von entscheidender Bedeutung ist jedoch die festgestellte verminderte Aufnahme von Aminosäuren, ausgelöst durch eine zu kurze Transitzeit und anscheinend überforderte körpereigene Proteasen. Von 50g zugeführtem Protein wurden nur 15g tatsächlich ins Blut resorbiert und das bei der Verwendung eines Wheyprotein-Konzentrates, von dem wir erfahren haben, dass es hinsichtlich der Verdauungsgeschwindigkeit bei weitem nicht mit der von Hydrolysaten oder auch Isolaten mithalten kann.
Fazit
Möglicherweise sind schnelle Proteine etwas zu schnell und überfordern unsere Proteasen, die Proteinspalter unseres Körpers, was sich in einer verminderten Nettoausbeute an Aminosäuren im Blut bemerkbar machen kann. Die Zugabe exogener Enzyme zu schnellen Protein sollte unter diesem Gesichtspunkt definitiv neu diskutiert werden.
Â
ResĂĽmee
Nach Sichtung aller Daten, Untersuchungen und Fakten kann man zu dem Schluss kommen, dass unterschiedliche Aufnahmegeschwindigkeiten bei Proteinen kein Mythos sind und durchaus eine Bedeutung haben, wenn es darum geht, dass richtige Protein zur richtigen Zeit einzusetzen. Insgesamt haben langsam verfügbare Proteine sowohl für Muskelaufbau und Muskelerhalt die Nase vorn und das unabhängig von der Aminosäurekonstellation. Einzig nach dem Training profitiert man von der Aufnahme eines schnell verfügbaren Proteins, da dies hier für einen schnellen Anstieg der Aminosäurekonzentration sorgt und die Proteinsynthese antreibt. Offen bleibt die Frage nach der tatsächlichen Nettoausbeute und der Leistungsfähigkeit proteinspaltender Verdauungsenzyme in Zusammenhang mit der Aufnahme schneller Proteine.
Mit sportlichen GrĂĽĂźen
Ihr
Holger Gugg
Â
Â
Quellen
Boirie, Y., Dangin, M., Gachon, P. et. ali. “Slow and fast dietary proteins differently modulate postprandial protein accretion“. Proc Natl Acad Sci U S A. Dec 23, 1997; 94(26): 14930–14935
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC25140/
https://www.spektrum.de/lexikon/ernaehrung/magenverweildauer/5520
D. Kalman et. al. Journal of the Int. Soc. of Sports Nutrition, Juli 2007
NBJ’s Sports Nutrition and Weight Loss Report 2007-2008. Nutrition Business Journal. Boulder CO. New Hope Natural Media, January 2008.
Paul GL. The rationale for consuming protein blends in sports nutrition. J Am Coll Nutr. 2009 Aug;28 Suppl:464S-472S. Review.
Boirie Y, Dangin M, Gachon P, Vasson MP, Maubois JL, Beaufrère B. Slow and fast dietary proteins differently modulate postprandial protein accretion. Proc Natl Acad Sci U S A. 1997 Dec 23;94(26):14930-5.
Dangin M1, Boirie Y, Garcia-Rodenas C, Gachon P, Fauquant J, Callier P, Ballèvre O, Beaufrère B (2001). The digestion rate of protein is an independent regulating factor of postprandial protein retention. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2001 Feb;280(2):E340-8.