Liebe BLOG-Leserinnen und Leser, Liebe PEAK-Community,
nach meinen Artikeln zu Wurstwaren und Glutaminasen (siehe unten) möchte ich heute mit einem weiteren Artikel an diese Thematik anknüpfen, dessen Inhalt mit Sicherheit vielen Fleischfressern von uns neu sein wird.
- Wurstwaren – „Schlechte“ Proteinquelle für Sportler? Teil 1
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- Von wegen Fleisch am Stück! – Transglutaminasen Teil 1
- Von wegen Fleisch am Stück! – Transglutaminasen Teil 2
Neben der Verwendung von Fleisch, das eigentlich als „mangelhaft“ eingestuft wird und dem Einsatz von Phosphaten möchte ich dieses Mal eingehend auf das Thema „Strecken“ von Fleischerzeugnissen eingehen und Ihnen mit diesem Artikel einiges an Insiderwissen vermitteln.
Ich bedanke mich bei Michael Rehle für die Mithilfe bei der Recherche und die Einblicke, die er mir in die Fleischindustrie verschaffen konnte.
Einsatz von Phosphaten
Phosphate werden regelmäßig in der Fleischindustrie eingesetzt, vor allem in Kochpökelwaren wie Hinterschinken oder für Brühwürste wie beispielsweise Lyoner. Am häufigsten kommt sog. Diphosphat zum Einsatz. Phosphate werden hauptsächlich dafür benötigt, Calcium-Magnesiumquerbrücken in Aktin- und Myosinfilamenten (also im Muskelfleisch) zu lösen, die sich mit dem Eintreten der Totenstarre im kontrahierten Muskel bilden. Phosphate erhöhen zudem die Ionenstärke und den ph-Wert des Fleisches der postmortem Phase (nach Eintreten des Todes), die je nach Fleischbeschaffenheit unterschiedlich stark und unterschiedlich schnell abfällt.
Letztlich wirkt Phosphat auch antioxidativ, was die Haltbarkeit erhöht, und steigert das Wasserbindungsvermögen des Fleisches. Phosphate machen Kochschinken saftiger und sorgen bei Brühwürsten für weniger Gelee- und Fettabsatz.
Die beschriebenen Wirkungen treten mit der Verwendung von etwa 3g Phosphat pro Kilogramm Fleisch ein. Da Phosphat unter dem Verdacht steht, bei überhöhter Aufnahme ADHS zu verursachen, wurde ein ADI-Wert festgelegt. Bis zu 70mg pro Kilogramm Körpergewicht und Tag bescheinigen Institute die Unbedenklichkeit bei der Verwendung von Phosphaten. Für einen 80kg schweren Mann bedeutet dies ein maximaler „tolerable daily intake“ von 5,6g Phosphat pro Tag. Er müsste folglich knapp 2kg der beschriebenen Wurstsorten verzehren, um den AD-Wert zu überschreiten.
Phosphate allein werden übrigens nicht zum Strecken von Fleisch verwendet, da sie in der eingesetzten Menge ein Wasseraufkommen nicht im Übermaß herbeiführen. Sie sind aber Bestandteil sog. Pökellaken, zu denen wir später noch kommen werden.
Interessant:
Muskelaufbau erhöht den Bedarf an Phosphat!
Fazit:
Phosphate verbessern die Eigenschaften bestimmter Fleisch- bzw. Wurstwaren. Unbedenklichkeit wird über die Festlegung eines ADI-Wertes bescheinigt, der die maximal tolerierbare Aufnahme abhängig vom Körpergewicht einer Person festlegt.
Auch mangelhaftes Fleisch wird „verwurstet“
Fleisch ist nicht gleich Fleisch – diese Behauptung habe ich in letzter Zeit sehr häufig bewiesen und mit Hintergrundwissen untermauert. Schon vor der Verarbeitung, also bei der Haltung und Schlachtung, kann sich die Eigenschaft von Schlachterzeugnissen und damit natürlich auch die Beschaffenheit des verzehrfähigen Stückes Fleisch verändern.
In diesem Absatz stelle ich zwei Fleischkategorien vor, die trotz mangelhafter Eigenschaften in gewissem Umfang im Handel zum Verzehr angeboten werden.
PSE-Fleisch
Dieses Fleisch hat eine blasse Farbe und eine weiche, wässrige Konsistenz ist aber voll verzehrfähig. PSE-Fleisch kommt häufig bei einer bestimmten Art von Kreuzungstieren mit einem sehr hohen Fleischbildungsvermögen vor, die ein bestimmtes Gen besitzen und vor der Schlachtung Stresssituationen ausgesetzt werden. Der Stress (bspw. durch den Transport zur Schlachtung) erhöht die Temperatur der Rückenmuskulatur der Tiere, das oft schwache Herz schafft es nicht, diese wieder abzusenken. Das Resultat ist eine Denaturierung (strukturelle Veränderung) des Muskels und die Ausbildung eines sog. Bananenrückens. Der Stoffwechsel produziert eine Menge Milchsäure, die nicht mehr vollständig abgebaut werden kann und sich im Muskel akkumuliert. Durch einen erhöhten Abbau von ATP fällt auch der ph-Wert innerhalb kürzester Zeit auf Werte unter 5,8.
PSE-Fleisch hat ein schlechtes Wasserbindungsvermögen und verliert unter Hitzeeinwirkung viel Wasser. Das Fleisch wird so schnell zäh und trocken. Das vermehrte Auftreten von ungebundenem Wasser steigert die Pökelbereitschaft. Das Fleisch nimmt von daher sehr viel Salz beim Pökeln auf. Die Haltbarkeit ist aufgrund der hohen Menge ungebundenen Wassers herabgesetzt, das Fleisch schmeckt wässrig und leer.
PSE-Fleisch findet man häufiger bei Schweinen. Der oben genannte Gendefekt kann inzwischen relativ leicht festgestellt werden. Dank seiner Eigenschaften ist PSE-Fleisch eigentlich weder als Frischfleisch noch als Verarbeitungsfleisch geeignet wird aber dennoch, mit Normalfleisch vermengt, für Erzeugnisgruppen wie Rohwurst, Trockenfleisch oder Rohschinken verwendet.
DFD-Fleisch
Dieses mangelhafte Fleisch findet sich häufiger bei Rindern. Auch hier sorgt die Einwirkung von Stress durch Haltung, Transport oder auch Wetterbedingungen zu einer vermehrten Ansammlung von Glykogen und ATP im Muskel. Im Rahmen des Abbaus der Energieträger entsteht Milchsäure, welche beim lebenden Tier in der Leber abgebaut wird. Da nach der Schlachtung nun nicht mehr viel ATP und Glykogen vorhanden sind, entsteht auch kaum Milchsäure mit der Folge, dass der ph-Wert nur auf etwa 6,4 abfällt. Dies verschafft dem Fleisch eine gute Wasserbindungsfähigkeit, das Fleisch wirkt aber trotzdem trockener, da das Wasser stark gebunden ist. Wird DFD-Fleisch erhitzt, verliert es viel Wasser und trocknet aus. Beim Pökeln gibt es Probleme mit der Salzaufnahme. DFD-Fleisch ist aufgrund des niedrigen Säuregehaltes außerdem anfällig für Bakterien und somit nicht lange haltbar.
Trotz der Mängel bzw. dank seiner Eigenschaften wird DFD-Fleisch für die Herstellung von Brühwurst, Kochpökelwaren oder Bratenfleisch verwendet. Nach kurzem anbraten soll DFD-Fleisch aufgrund des geringen Wasserverlustes sogar sehr zart und saftig sein.
Fazit:
Die Fleischindustrie hat mit unterschiedlicher Beschaffenheit bei Fleisch zu kämpfen. Letztlich findet sich aber auch für die „mangelhaften“ Fleischwaren immer eine zulässige Verwendung.
Strecken von Fleischerzeugnissen
Der Wasser/Eiweiß-Koeffizient
Generell ist bei Fleisch von einem ziemlich konstanten Verhältnis zwischen Wasser und Eiweiß auszugehen. Der dafür festgelegte Koeffizient liegt bei 3,6:1. Das Lebensmittelrecht sieht Kontrollen dieses Koeffizienten vor, beanstandet jedoch erst Werte ab einem Koeffizient von 4,0:1. Den Herstellern von Fleischerzeugnissen ist so Tür und Tor geöffnet, den Wassergehalt künstlich durch sog. Pökellaken zu erhöhen. Sie werden ins Fleisch eingespritzt oder durch sog. Tumbeln bei Formschinken aufgegossen.
Pökellaken enthalten immer Wasser und Nitritpökelsalz, oftmals aber auch Zuckerstoffe, Na-Ascorbat (zur Umrötung), Gewürze und oben bereits dargestellte Phosphate. Ebenfalls zugelassene Stoffe mit wasserbindender Eigenschaft sind Hydrokolloide wie Guarkernmehl, Pflanzenproteine, Stärke. Sie werden jedoch nur für „kostengünstigere“ Produkte verwendet.
Der preisliche Unterschied bei Fleischerzeugnissen
Die Zugabe derartigen Pökellaken bis zum obersten Grenzwert erlaubt natürlich eine andere Preisfestsetzung und stellt mit einen Grund für die enormen Unterschiede zwischen Discout-Fleischware und Fleisch direkt vom Handwerker dar, da der heimische Metzger zu derartigen Maßnahmen meist nicht in der Lage ist.
Sportler und Figurbewusste aufgepasst!
Je höher der Eiweißgehalt, desto höher darf auch der Wassergehalt ausfallen, weshalb bei fettarmen Light-Produkten eigentlich immer vom Einsatz derartiger Pökellaken auszugehen ist. Je mehr Pökellake, desto höher der Salzgehalt des Fleisches. Da ab einer bestimmten Menge die sog. Salzspitze überschritten wird und das Fleisch so für den Menschen beim Verzehr als ungenießbar empfunden wird, verschleiert die Fleischindustrie dies durch den Einsatz von Zucker. Ein Kohlenhydratanteil von mehr als 1-2% in Nährwertangaben bei Fleischerzeugnissen deutet eindeutig auf diesen Arbeitsschritt bzw. auf die Verwendung von Zucker hin.
Achtung:
Ein kleiner Blick auf das Etikett genügt oft! Wenn beispielsweise statt „Hackfleisch“ von einer „Hackfleischzubereitung“ die Rede ist, wissen Sie als Verbraucher sofort was gespielt wird!
Fazit:
Das Strecken von Fleischerzeugnissen ist in großen Lebensmittelfabriken gängige Praxis. Der Endverbraucher kauft und bezahlt einen gewissen Anteil „schnittfestes“ Wasser für den Preis von teurem Fleisch!
Resümee
Wieder einmal habe selbst ich bei meiner Recherche etwas dazu gelernt. Das Thema Fleisch, Wurst und Lebensmittel allgemein hält wirklich Unglaubliches für den unwissenden Verbraucher bereit. In der Industrie wird mit Tricks und Kniffen gearbeitet, die uns „Fleischfressern“ das Ganze schon manchmal etwas madig machen können. Je mehr Sie über diese Machenschaften wissen, desto weniger wird man Ihnen aber vormachen können und desto eher werden Sie sich immer für das richtige Stück Fleisch oder die richtige Wurst im Regal entscheiden.
Sportliche Grüße
Holger Gugg
www.body-coaches.de
Quellen
https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6liakie
https://de.wikipedia.org/wiki/Gluten
https://de.wikipedia.org/wiki/Formfleisch
http://www.transglutaminase.com/de/was-ist-tg/wie-funktioniert-tg
Transglutaminase in Fleischerzeugnissen - Aktualisierte Stellungnahme Nr. 052/2011 des BfR vom 30. November 2011, - ergänzt am 21. Januar 2013
Optimierung der Proteinquervernetzung durch Transglutaminase in gerührtem Joghurt - Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Bonn – 2007 bis 2009
Verbraucherzentrale Hamburg – Mogeleien im Restaurant – So können Sie getäuscht werden
Verbraucherzentrale Hamburg – Lebensmittelimitate im Supermarkt – Mehr Schein als Sein