Liebe BLOG-Leserinnen und Leser, Liebe PEAK-Kundinnen und Kunden,
heute muss ich leider meinen Unmut über eines der eigentlich besten Szene-Magazine kundtun. Namentlich nicht erwähnt, kann man als engagierter Sportler hiervon inzwischen leider nicht mehr viele Inhalte erwarten, da Werbung, Bildmaterial und Trainings- sowie Ernährungstipps dominieren, die wir alle schon mindestens 20x gelesen haben. Alles gut und Recht, hier kann man sich als Leser immer noch für oder eben gegen den Kauf entscheiden. Was in meinen Augen aber nicht geht ist es, für Sportler wichtige fachliche Inhalte völlig zu verzerren und basierend auf wackligen „Pseudo-Beweisen“ versuchen zu untermauern. So geschehen in einem Artikel zum Thema „Insulinausschüttung und Molkenprotein/Leucin“. Da dieses Thema zu den Gebieten zählt, mit denen ich mich intensiv befasst habe, ist mein Unmut natürlich entsprechend groß. Eine sachliche Darstellung der Fakten anbei.
Wheyprotein und Insulin – So werden falsche Interpretationen kommuniziert
Leucine or carbohydrate supplementation reduces AMPK and eEF2 phosphorylation and extends postprandial muscle protein synthesis in rats (1)
Eine Studie mit Versuchstieren, die sich mit dem Einfluss von Leucin auf das Aufkommen anaboler und kataboler Signalgeber (AMPK und eEF2) sowie auf die Proteinsynthese befasst, soll Aufschluss darüber geben, ob und wie beim Menschen eine Reaktion auf insulinogene Aminosäuren, insbesondere auf Leucin, stattfindet. Die Studie verabreicht Versuchtieren entweder Wasser, Maltodextrin, Leucin oder ein Gemisch, bestehend aus Leucin und Maltodextrin, und vergleicht dann mitunter den Insulinausstoß der 90 oder 180 Minuten nach der Verabreichung messbar war.
Der Autor des Artikels sieht diese Ergebnisse nun als Grund dafür an, 3 wesentliche Thesen in Sachen insulinogene Wirkung von Leucin aufzustellen
1. Leucin und Molke allein verursachen KEINEN Insulinanstieg.
2. Nicht alle Aminosäuren haben dieselbe steigernde Wirkung auf das Insulinaufkommen bei gleichzeitiger Aufnahme mit Kohlenhydraten.
3. Passen Sie auf, wem Sie glauben schenken.
Fazit
Wer nicht im Thema ist, hält den Insulin-Index proteinhaltiger Lebensmittel jetzt möglicherweise schon für Humbug. Wie schlecht die Recherche bei diesem Artikel wirklich war, zeige ich Euch jetzt.
1. Zu den Thesen 1 und 2
Beginnen wir einmal damit, diese lächerliche Theorie auf zellulärer Basis zu widerlegen. Studie 1 mit dem Titel „Leucine metabolism in regulation of insulin secretion from pancreatic beta cells“ stammt aus 2010 (2) und zeigt auf mehr als anschauliche Art und Weise die klare Auswirkung von Leucin auf die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, also da, wo Insulin ausgeschüttet auch wird. Leucin vermittelt einen akuten Effekt auf die Regulation des b-Zell-Metabolismus und in diesem Zusammenhang auf die Insulinsekretion.
Studie 2, ebenfalls aus 2010 (3), zeigt die akute Auswirkung auf das Insulinaufkommen ausgehend von vier verschiedenen Milch-Shakes mit je 11g Kohlenhydraten und 51g Protein.
Diagramm: nachgestellt aus https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20456814
Mit dieser Darstellung bewahrheitet sich zumindest These 2 aus unserem Bericht, nämlich das unterschiedliche Aminosäurekonstellationen das Insulinaufkommen unterschiedlich beeinflussen, wie wir schon gesehen haben und noch sehen werden, geschieht dies aber auch unter völliger Abwesenheit von Kohlenhydraten.
Ein derartiger Anstieg wie dargestellt, kann alleine durch die kleine Menge in den Shakes enthaltener Kohlenhydrate nicht stattfinden. Kritiker könnten dennoch vermuten, dass die Kombination aus Kohlenhydraten und Protein für den Insulinanstieg verantwortlich sei und nicht das alleinige Protein bzw. der Anteil insulinogener Aminosäuren, darum hier der Verweis zu einer weiteren Studie aus 2012 mit dem Titel „Compared with white wheat bread meal, whey causes an increase of postprandial insulin, plasma amino acids, GIP and GLP-1 responses“ (4), in welcher ausschließlich Wheyprotein verabreicht wurde und der Effekt auf das Insulinaufkommen dem ausgehend von Glucose sogar überlegen war.
Was ist geschehen? Wieso klaffen die Ergebnisse aus den Studien so stark auseinander? Gibt es einfach wie so oft zwei verschiedene Meinungen?
NEIN, der Autor besagten Artikels hat leider schlichtweg keine Ahnung von dem, was er da von sich gibt!
Glucagon and insulin responses after ingestion of different amounts of intact and hydrolysed proteins (5), so lautet der Titel der Studie, die Licht ins Dunkel bringt. Wieder einmal wird eindrucksvoll belegt, wie unterschiedliche Proteine im Rahmen einer Monogabe das Insulinaufkommen beeinflussen. Dieses Mal erhalten wir aber auch eine Zeitkurve der Veränderungen mitgeliefert und jetzt wird es denke ich jedem klar, was in unserem „Fachartikel“ geschehen ist.
Diagramm: nachgestellt aus https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18167171
Die Darstellung zeigt einen starken Anstieg des Insulinaufkommens mit einem Peak nach 30 Minuten bei allen hier involvierten Proteinsorten (Soja, Soja-Hydrolisat, Whey und Whey-Hydrolisat). 90 Minuten nach der Einnahme ist der große Spuk bereits wieder weitestgehend vorbei, zumindest unter Abwesenheit von Kohlenhydraten, da ansonsten eine stärkere Hypoglykämie eintreten würde. Ebenfalls nach etwa 30 Minuten ist es aus diesem Grund Zeit für den Auftritt eines weiteren Regulators-Hormons, dem Glukagon.
Diagramm: nachgestellt aus https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18167171
Letztlich ist jetzt abschließend noch interessant, wie das Blutzuckeraufkommen durch unsere hier vorgestellten vier Testproteine und das hormonelle Auf und Ab beeinflusst wird.
Diagramm: nachgestellt aus https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18167171
Die letzte Grafik zeigt besonders bei Wheyprotein eine signifikante Veränderung des Blutzuckeraufkommens mit dem stärksten Abfall nach etwa 60 Minuten. Genau zu diesem Zeitpunkt kommt es in der Praxis vor, dass vereinzelt etwas sensiblere Trainierende durch die alleinige Aufnahme einer moderaten bis hohen Menge Wheypotein oder insulinogener Aminosäuren wie BCAA bzw. Leucin in eine leichte Hypoglykämie (ugs. Unterzuckerung) verfallen. Mit Werten um 4mmol/l befinden wir uns an der Untergrenze dessen, was in der Medizin als „normaler Nüchtern-Blutzucker“ angesehen wird.
Resümee
Abschließend, und damit auf These 3 zurückkommend, kann ich dem Autor hier nur beipflichten, wenn er schreibt, dass man aufpassen soll, wem man Glauben schenkt. Ich denke, dass er sich in diesem Fall nicht der Tatsache bewusst war, dass er es ist, dem man zum Thema insulinogene Wirkung und Leucin/Wheyprotein keinen Glauben schenken darf. Was ich mich an dieser Stelle auch frage ist, inwieweit übersetzte Fachartikel von deutschen Verlegern nochmals auf Richtigkeit überprüft werden. In meinen Augen darf ein derartiger Fehler mit solch gewichtigen Missinterpretationen nicht vorkommen.
Für alle Leserinnen und Leser ist mir an dieser Stelle wichtig, Klarheit zur fachlichen Darstellung in Sachen Insulin-Index geschaffen zu haben.
In diesem Sinne: Passen sie auf, wem Sie glauben schenken
Sportliche Grüße
Holger Gugg
www.body-coaches.de
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Quellen
Bild: © blackday - Fotolia.com
1) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21917636
2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20500788
3) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/20456814