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was machen Kraftsportler? Sie versuchen mit Krafttraining die Muskeln zu reizen und mehr noch, sie regelrecht zu zerstören, um danach vom Wiederaufbau über das Ausgangsniveau hinaus zu profitieren. Im Fachjargon sprechen wir von Mikrotraumatisierung, Stressreaktionen und Resynthesevorgängen sowie von der sog. Proteinsynthese und letztlich Hypertrophie. Muskeln wachsen nicht während des Krafttrainings, sondern als Resultat daraus. Alles beginnt eigentlich bereits in Minute eins nach dem Training, wenn unser Organismus damit beginnt, auf die Einflüsse des Krafttrainings zu reagieren.
Was genau in welcher zeitlichen Reihenfolge im Laufe der Regeneration geschieht, das wird das Thema meines heutigen Artikels sein.
Viel Spaß
Die Regeneration struktureller Bestandteile und Energiespeicher
Mit jeder Trainingseinheit greifen wir nicht nur in unseren Muskelstoffwechsel ein, sondern beeinflussen darüber hinaus auch andere Institutionen unseres Körpers. Neben einem Mehrverbrauch an Energie verändert sich die Anforderung an das Herz-Kreislaufsystem und an das Nervensystem sowie an das Immunsystem und auch der Flüssigkeitshaushalt wird durch Training und individuell unterschiedlich starke Schweißverluste beeinflusst.
Die Regeneration lässt sich zumindest grob chronologisch darstellen. Angegebene Minuten und Tage unterliegen natürlich immer individuellen Schwankungen und sind neben der Ernährungssituation auch vom Lebenswandel, dem Alter, der bereits vorhandenen Leistungsfähigkeit und natürlich der Dauer sowie der Intensität einer Trainingseinheit abhängig. Versteift man sich nicht zu sehr drauf, dann ergibt sich daraus ein sehr interessantes Bild darüber, was wann geschieht. Eine derartige Information hilft zum einen dabei mehr Verständnis für das aufzubringen, was wir nach dem Training wahrnehmen und zum anderen dabei, nach dem Training die richtige Strategie zu planen, wenn es darum geht, optimal zu regenerieren und den Muskelaufbau damit zu fördern.
Fazit
Im Körper laufen regenerative Vorgänge im Normalfall in einer bestimmten Reihenfolge ab.
Chronologie der Regeneration
Bereits 4-6 Minuten nach Trainingsende kommt es zur vollständigen Resynthese muskulärer Creatinphosphatspeicher. Beeinflusst wird diese Zeitspanne natürlich von der Verfügbarkeit an Creatin. Genau hier setzt eine Supplementierung mit Creatin an, wie sie in beinahe allen Sportarten erfolgreich praktiziert wird.
Je nach Intensität und Trainingszustand kehrt die Funktion des Herz-Kreislaufsystems bis etwa Minute 20 auf einen normalen Level zurück. Sowohl Herzfrequenz als auch Blutdruck sind hiervon betroffen. Je besser das Herz-Kreislaufsystem trainiert ist, desto schneller kann dieser Regenerationsschritt vollzogen werden, weshalb sich ein zum Krafttraining begleitendes Herz-Kreislauftraining in Form von regelmäßigen Cardioeinheiten immer auszahlen wird, auch im Aufbau!
Mit dem Training beeinflussen wir natürlich auch den Blutzuckerspiegel und verursachen so eine oftmals nicht merkliche leichte Hypoglykämie. Innerhalb der ersten 20-30 Minuten gleicht sich diese wieder aus. Möglich ist dies über noch in der Leber verfügbares Glykogen, welches hierzu in die Blutbahn abgegeben wird. Sind zu wenige Kohlenhydrate bei gleichzeitig schlecht an die Ketose adaptiertem Stoffwechsel greifbar, kann es sogar zu einer merklichen Unterzuckerung kommen. Die Aufnahme schnell verfügbarer Kohlenhydrate hilft je nach Versorgungsstatus mehr oder weniger effektiv bei diesem Regenerationsschritt. Übertreibt man es mit der Kohlenhydratzufuhr, dann kann es etwa 30 Minuten nach der Aufnahme durch den schnell ansteigenden Blutzuckerspiegel zu einer kompensierenden starken Insulinausschüttung kommen, die wiederum eine verzögerte Hypoglykämie möglich macht. Dieser Regenerationsschritt macht mitunter die Notwendigkeit einer angepassten Zufuhr mit Kohlenhydraten nach dem Training deutlich.
Etwa 30 Minuten werden dafür benötigt, den Säure-Basenhaushalt wieder zu normalisieren. Ermöglicht wird dies durch körpereigene Puffersysteme, die in Zusammenarbeit mit dem Herz-Kreiskaufsystem angefallenes Laktat neutralisieren, aus den trainierten Muskeln aufnehmen und es entweder zum Abbau weiterleiten oder an „nicht direkt aktive“ Strukturen abgeben, wo es als Energiesubstrat verwendet werden kann. Ziel dieser Maßnahme ist das Erreichen einer Laktatkonzentration unter 3 mmol/l. Dieser Regenerationsschritt ist davon abhängig, wie viel Laktat im Rahmen der Belastung angefallen ist und wie effektiv die Puffersysteme arbeiten. Auch hier können wir willentlich eingreifen. Ergänzungen wie Beta-Alanin oder Natron (Bikarbonat) sind dafür bekannt, das sie körpereigene Puffersysteme fördern und unterstützen können.
Bekanntlich wird die Muskelproteinsynthese während eines Krafttrainings gehemmt und zwar spezifisch in der beanspruchten Muskulatur. Auch diese Hemmung wird im Rahmen der Regeneration wieder in einen Ausgleich bzw. eine Steigerung verwandelt. Das zeitliche Fenster hierfür wird unbeeinflusst mit etwa 60 Minuten nach dem Training angegeben. Spezifische Gaben an Protein direkt im Anschluss eines Krafttrainings können für eine Verkürzung dieses Regenerationsschrittes sorgen. Besonders von Wheyprotein und seinen insulinogenen Aminosäuren weiß man um eine schnelle Anhebung des Blutaminosäurespiegels und damit der Steigerung der Proteinsynthese in weniger als 60 Minuten, was eine Aufnahme von Protein nach dem Training zumindest aus diesem Gesichtspunkt rechtfertigt.
Der nächste Punkt befasst sich mit dem darauffolgenden Schritt, nämlich des Umschwungs des Protein-Turnover - also dem Verhältnis von Proteinabbau zu Proteinaufbau. Mit Krafttraining lösen wir ein Ungleichgewicht im Protein-Turnover zu Gunsten des Abbaus aus. Wir schaffen eine katabole Stoffwechsellage. Mit dem Anstieg der Proteinsynthese nach dem Training wird kurze Zeit später, also etwa nach 90 Minuten aus einer katabolen Stoffwechsellage wieder ein anaboles Milieu mit einem verstärkten Eiweißumsatz zu regenerativen Zwecken. Je schneller es zur Anhebung der Proteinsynthese kommt, desto eher wird auch der Proten-Turnover wieder in einen anabolen Bereich umschlagen.
Nach etwa zwei Stunden hat parallel dazu bereits die überwiegende Wiederherstellung ermüdeter Funktionen der Muskulatur stattgefunden. Natürlich ist das Traumata an sich nach bereits zwei Stunden noch nicht kuriert, vielmehr geht es hier um Stufe eins und damit die motorische Wiederbelastbarkeit.
Innerhalb des ersten Tages nach einer Belastung ab etwa Stunde sechs beginnen sich Verschiebungen innerhalb des Flüssigkeitshaushalts wieder zu normalisieren. Vermehrte Schweißverluste können unter Umständen zu einer leichten Eindickung des Blutes führen, die wir auf analytischer Ebene mit einem leicht erhöhten Hämatokritwert feststellen können. Natürlich besteht auch hier eine gewisse Individualität. Gut ausdauertrainierte Sportler weisen beispielsweise einen verringerten Hämatokritwert auf, da hier das Blutvolumen stärker ansteigt als die Zahl an Blutzellen, was zu einer verringerten Viskosität (Zähflüssigkeit) des Blutes führt. Das Blut reibt weniger stark an den Blutgefäßwänden und verringert so die notwendige Arbeitsleistung des Herzens. Blutdoping oder aber die Einnahme anaboler Steroide ist generell dafür bekannt, den Hämatokrit anzuheben, da hier eine dopingbedingte Anhebung des Blutzellaufkommens zu erwarten ist. Insgesamt versucht unser Körper innerhalb des ersten Tages nach der Belastung das Verhältnis zwischen flüssiger und fester Bestandteile wiederherzustellen. Für die Praxis bedeutet dies, dass es von großer Bedeutung in Sachen Regeneration ist, zum einen bereits gut hydriert ins Training zu gehen und sich je nach Dauer und Schweißverlusten zum anderen auch nach dem Workout oder Wettkampf wieder mit Flüssigkeit und Elektrolyten im richtigen Verhältnis zu versorgen.
Weg vom Hydrationszustand geht es jetzt ebenfalls innerhalb des ersten Tages nach dem Training an die Resynthese der Glykogenspeicher in der Leber. Diese werden durch die gesamt erhöhte metabolische Umsatzrate angegriffen. Hepatische Speicher werden deshalb vor muskulären Glykogenspeichern wieder befüllt, da sie für die Energieversorgung der für den Körper wichtigsten Einrichtung verantwortlich sind, dem Gehirn. Interessant zu wissen ist, dass die Gesamtspeicherkapazität in etwa mit 115g angegeben wird. Wie viel davon im Rahmen des Trainings verbraucht wird, hängt zum einen vom Versorgungsstatus generell und zum anderen vom anaeroben Energieverbrauch ab, der mit der Trainingseinheit abgerufen wird. Unmittelbar nach dem Training sofort Kohlenhydrate zuzuführen wird den Resynthesevorgang zwar nicht innerhalb einer deutlich kürzeren Zeit abschließen, dennoch aber für eine schnellere Teil-Resynthese sorgen, mitunter weil auch die Insulinrezeptoren der Leber nach einer intensiven Trainingseinheit stärker sensibilisiert sind.
Die Resynthese muskulärer Glykogenspeicher steht als nächstes auf der To-Do-Liste. Sie nimmt in den meisten Fällen mindestens 2 Tage in Anspruch. Auch hier muss erwähnt werden, dass Punkte wie
- der Füllstand zu Beginn des Trainings
- die verbrauchte Menge
- der Aufwand, der vorher für die Resynthese von Leberglykogen betrieben werden musste
für starke Individualität sorgen, wenn es darum geht, einen Zeitraum festzulegen. Mit zwei Tagen ist alles optimal gelaufen. Letztlich kann sich in Abhängigkeit individueller Faktoren die Resynthese auch auf bis zu sieben Tage ausdehnen.
Ähnlich verhält es sich mit der Resynthese intrazellulärer Triglyceridspeicher im Muskel. Was viele nicht wissen ist, dass in unseren Muskeln auch eine gewisse Menge Fett für die aerobe Energiebereitstellung geparkt wird. Eine Belastung ist in den seltensten Fällen rein aerob oder rein anaerob, deshalb ist es nur schlüssig, dass unsere Muskeln auch einige Fettsäuren deponieren. Die Resynthese dieser Fettspeicher wird in Abhängigkeit des Füllstandes vor dem Training und dem Verbrauch während der Einheit zwischen drei und fünf Tage in Anspruch nehmen.
Nachdem der Wiederaufbau von Energievorräten nun abgeschlossen ist, geht es jetzt um die Regeneration teilweise zerstörter Muskelfaserbestandteile. In Abhängigkeit vom Zerstörungsgrad und der Schwere der Mikrotraumata findet dieser Vorgang zwischen dem dritten und dem zehnten Tag nach der Belastung statt. Merklich ist dies für uns über den Ablauf eines Muskelkaters. Während wir an Tag eins nach dem Training meist noch nichts oder nur wenig spüren, sorgen entzündliche Vorgänge in Tag zwei für Bewegungsschmerz und erhöhte Wasseransammlung im Muskel. Damit werden die besten Voraussetzungen für eben die Regeneration zerstörter Muskelfaserbestandteile geschaffen. Im Laufe der Regeneration klingt der Muskelkater wieder ab und mit ihm endet auch der beschriebene Regenerationsvorgang.
Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem deutlich wird, dass die Regeneration nach intensiven Ausdauerbelastungen wahrscheinlich etwas mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Regeneration nach einem Krafttraining. Ganze sieben bis 14 Tage werden auf zellulärer Ebene für den Strukturaufbau in funktionsgesteuerten Mitochondrien benötigt. Bis diese Regenerationsprozesse abgeschlossen sind, kann es zu Einschränkungen der vollen aeroben Leistungsfähigkeit kommen. Gerade diese Gegebenheit rechtfertigt eine gewisse trainingsfreie Phase vor geplanten Wettkämpfen im Ausdauerbereich.
Abschließend findet Regeneration natürlich auch auf psychischer Ebene statt. Die gesamte Lebenssituation, der Stresslevel und die Ausgewogenheit der Persönlichkeit entscheiden über die Dauer, die in der Sportmedizin mit einer bis drei Wochen angegeben wird. Erst wenn auch dieser Regenerationsschritt vollzogen ist, kann wieder mit der vollen Abrufbarkeit der Leistungserbringung auf psychischer Ebene gerechnet werden. Der Querverweis zur Praxis geht in Richtung Stressmanagement und mentales Training, zwei Faktoren, die oftmals gänzlich übersehen und völlig falsch interpretiert werden.
Fazit
Die Chronologie eines vollständigen Regenerationszyklus erstreckt sich nicht auf wenige Stunden oder Tage. Abhängig von bestimmten Einflussgrößen kann es mehrere Tage bis sogar Wochen dauern, um wieder die volle Leistungsfähigkeit zu erlangen
Was bedeutet dies für die Praxis?
Für die Praxis ergibt sich aus dieser Darstellung folgendes Fazit:
- Mit der richtigen Ernährung und auch Supplementierung lassen sich gewisse Regenerationsschritte durchaus beeinflussen.
- In den meisten Fällen gehen wir mit einer nicht 100% abgeschlossenen Regeneration in ein neues Training hinein. Studien zeigen, dass sich diese Gegebenheit nicht kontraproduktiv auf den Muskelaufbau auswirken muss. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass sich Regenerationslücken kumulieren können und so auf die Dauer Stagnation eintreten kann, der man mit einer vollständigen Regerationsphase entgegentreten muss.
- Für leistungsorientierte Wettkampfsportler ist es ein Muss, VOR einem Wettkampf einen vollständigen Regenerationszyklus zu durchlaufen, um gesamtheitlich von 100% Leistungsfähigkeit ausgehen zu können.
- Die Komponente des mentalen Trainings führt immer noch ein Schattendasein und das, obwohl für psychische Regeneration der größte Zeitraum veranschlagt werden muss. Ambitionierte Sportler sollten die Ausführungen dieses Artikels zum Anlass nehmen, sich mit dieser Thematik auseinanderzusetzen
Resümee
Aus der Chronologie der Regeneration lassen sich eine Menge praxisrelevanter Kniffe ableiten. In einem weiteren Artikel werde ich noch einen Schritt weiter gehen und mich auch mit den hormonellen Veränderungen in Bezug auf Training und Regeneration befassen.
Bis dahin verbleibe ich mit den besten Wünschen
Sportliche Grüße
Euer
Holger Gugg
www.body-coaches.de
Quelle
Dr. med. Jürgen Zapf - ZaGoMed – Gesellschaft für präventive Gesundheitsleistungen und Sportmedizin Bayreuth